Nadel, Faden, Hackebeil
Seifferheld. Er sah zwar nicht die Bilder seines Lebens vor seinem inneren Auge vorübergleiten, aber er dachte an Onis und seinen Harem. In dieser Reihenfolge. Und er seufzte final.
Kolb lachte auf. Es klang irrsinnig. Er sah aus wie Kinski. Nur ohne Erdbeermund.
»Keine Bewegung!«, tönte es da plötzlich aus luftiger Höhe.
Ein Scheinwerfer erfasste die am Boden liegenden Männer.
Beide blinzelten ins grelle Licht.
»Hier spricht die Polizei. Legen Sie die Waffe aus der Hand.«
Seifferheld, der anfangs vermutet hatte, ein Anwohner habe mit einer besonders hellen Taschenlampe eingegriffen, merkte erst jetzt, dass ein Hubschrauber über ihnen in der Luft schwebte.
Von beiden Seiten der Gasse kamen Streifenwagen auf sie zu. Beamte mit gezückten Waffen sprangen heraus.
»Spritze fallen lassen!«
Einen kurzen Moment lang hatte Seifferheld das Gefühl, Kolb wolle mit großem Tusch aus der Welt scheiden, ihm die Spritze in den Hals rammen und sich von den Beamten erschießen lassen.
Aber dann ließ Kolb doch die Spritze fallen und stand langsam mit erhobenen Armen auf. Er hätte es einfach nicht ertragen, erschossen zu werden, womöglich ins Gesicht getroffen. Als hässliche Leiche abzutreten – das ging ja gar nicht.
Seifferheld atmete erleichtert aus. Auf dem Rücken liegend, alle viere von sich gestreckt, sah er aus wie ein gestrandeter Käfer.
Aber er war glücklich.
Bis ihm ein Beamter die gezückte Waffe ins Gesicht hielt. »So, Freundchen, ganz langsam aufstehen und Hände auf den Rücken!«
Wie sich herausstellte, hielt man ihn und Kolb für die seit langem gesuchten Innenstadteinbrecher, die sich bei ihrem jüngsten Coup in die Wolle bekommen hatten.
Seifferheld wollte die Sachlage richtigstellen und Empörung kundtun, er war hier das Opfer, nicht der Täter, aber, ehrlich gesagt, war er einfach nur froh, dass er noch lebte. Und dass die Morde an Lambert von Bellingen und Kiki Runkel nun nicht ungesühnt bleiben würden.
Der Rest würde sich schon irgendwie ergeben.
Er lächelte.
Da wusste er aber auch noch nicht, dass er für die mit seiner Gehhilfe zum Zwecke der Selbstverteidigung eingeschlagene Fensterscheibe doch tatsächlich 298 Euro 50 aus eigener Tasche löhnen musste …
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Epilog
Aus dem Polizeibericht
Gewichtige Zwerge
Dreiste Diebe haben aus einem Garten in der Neumäuerstraße drei Gartenzwerge mitgehen lassen. Die jeweils 1 , 70 Meter großen und 25 Kilo schweren Prachtexemplare aus Kunststoff waren von der Straße aus kaum zu sehen, gleichwohl hält die Polizei es für eher unwahrscheinlich, dass gartenzwergfeindliche Nachbarn hinter der Aktion stecken. Man vermutet vielmehr, dass wieder einmal die dreiste Innenstadteinbrecherbande erneut zugeschlagen hat. Oder weinselige Besucher aus dem Schwerpunkt Glück, die sich einen Scherz erlauben wollten. Auf die Wiederbeschaffung der Gartenzwerge wurde eine Belohnung in Höhe von 150 Euro ausgesetzt.
Einen Tag später
Vielleicht liegt’s doch am Aftershave, dass das Glück manchen Männern immer hinterherläuft und es andere meidet wie akuten Lippenherpes.
»Du hast vielleicht Schwein gehabt«, sagte Bärenmarkenbär Wurster, klopfte Seifferheld auf die Schulter und hob sein Löwenbräu-Pils. »Auf Siggi, den Unverwüstlichen!«
»Auf Siggi!«, rief der gesamte Mord-zwo-Stammtisch.
»Dieser Kolb hatte eine böse Giftmischung in seiner Spritze. Nur eine Sekunde später, und wir würden jetzt beim Leichenschmaus auf dich anstoßen.«
Seifferheld nickte. »Ich bin der Polizeichefin wirklich dankbar, dass sie wegen der Einbruchsserie in der Haller Innenstadt Sonderstreifen und einen Wärmebildhubschrauber patrouillieren lässt.«
»Sei lieber der Frau Schneckle dankbar, die sich lärmtechnisch gestört fühlte, als du mit deiner Gehhilfe die Fensterscheibe eingeschlagen hast. Hätte sie nicht den Notruf gewählt, du wärst jetzt Futter für die Maden auf dem Waldfriedhof.«
»Frau Würtz, noch eine Runde!«, rief Van der Weyden.
»Hat Kolb schon ein umfassendes Geständnis abgelegt?«, wollte Seifferheld wissen.
Wurster schüttelte den Kopf. »Redet sich natürlich auf Totschlag im Affekt heraus. Wird ihm aber nicht gelingen. Also, vielleicht bei Lambert, der ihn wegen Kurpfuscherei verklagen wollte. Aber nicht bei Kiki Runkel, die er danach vorsätzlich erschlug, damit sie nicht zwei und zwei zusammenzählte und Lamberts Ermordung auf ihn zurückführte. Das Gesicht hat er ihr zermanscht, damit man bei
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