Nadelstiche
Antiterrorgesetz einen Paragrafen, der es unter Strafe stellt, sich als Tierschutzaktivist auszugeben«, maulte Jake.
»Sieh es doch mal positiv – dann landen wir wenigstens beide hinter schwedischen Gardinen.«
»Na toll. Wir können was für unser Mixed-Doppel im Tennis tun. Du und ich gegen irgendwelche korrupten Politiker oder pleitegegangenen Bankmanager in unserem Zellenblock.«
Manny grinste. »Ich hab doch gewusst, dass du diesem Projekt noch was abgewinnst.«
Jake trat vom Bordstein vor ein abbiegendes Taxi und stoppte es mit einem wütenden Blick. »Jeder, der auch nur einen Funken Verstand im Kopf hat, durchschaut dieses Affentheater auf Anhieb. Und wie sollen wir uns dann da wieder rausreden?«
»Die Bilder, Jake, die sind das Entscheidende.« Manny schwenkte eine dicke schwarze Heftmappe. »Ich schwöre dir, ich war in Tränen aufgelöst, als ich die zusammengestellt hab.«
Manny war dem Rat einiger ihrer besonders erfolgreichen kriminellen Mandanten gefolgt und hatte beschlossen, eine Lüge zu erfinden, die möglichst nah bei der Wahrheit lag. Es gab tatsächlich eine kleine Organisation in Mississippi, die sich der Aufgabe verschrieben hatte, Tieren, die durch Unwetter heimatlos geworden waren, ein neues Zuhause zu vermitteln. Ihre Webseite war voll mit herzzerreißenden Bildern von durchnässten, hungernden, verletzten Hunden und Katzen. Inspiriert von der Arbeit der Gruppe, hatte Manny noch mehr Fotos dieser Art gefunden und sie zu einer Präsentation für Señora Sandoval zusammengestellt. Dann hatte sie ein Empfehlungsschreiben für Jack und Franny verfasst und dafür mit einem Grafikprogramm das Logo von Home Again als Briefkopf nachgestaltet, den sie auch auf die Visitenkarten aus dem Laden für Bürobedarf druckte. Die Anwältin in ihr verspürte leise Gewissensbisse, als sie sah, wie perfekt ihr die Fälschung gelungen war, und sie erwog, das Logo ein bisschen abzuändern, um nicht mit dem Urhebergesetz in Konflikt zu geraten. Dann lachte sie – wenn sie bei dieser Posse erwischt wurde, hätte sie weiß Gott ganz andere Sorgen.
»Hier sind deine Visitenkarten.« Sie reichte Jake ein paar, als das Haus, in dem die Sandovals wohnten, in Sicht kam. »Schlüpf schon mal in deine neue Identität.«
Jake betrachtete sie kritisch. »Die sehen billig aus«, beschwerte er sich. »Sie wird merken, dass die gefälscht sind.«
»Wir geben uns doch nicht als Investmentbanker aus. Wir sind eine Wohltätigkeitsorganisation mit begrenzten Mitteln – Sparsamkeit gehört zu unserer Rolle.«
»Okay, nur mal angenommen, sie glaubt, dass wir von Home Again sind. Wie soll ich sie beschäftigt halten, wenn du verschwindest, um herumzuschnüffeln?«
»Das haben wir doch schon besprochen. Zeig ihr einfach weiter die Fotos. Erzähl ihr, wie jedes einzelne Tier behandelt wird.«
»Aber das weiß ich eben nicht«, wandte Jake ein. »Ich bin kein Tierarzt.«
Manny blieb mitten auf dem Bürgersteig stehen und packte Jake an den Schultern. »Hör gut zu: Erfinde irgendwas. Du sollst schließlich keinen Obduktionsbericht schreiben. Es muss nicht wahr sein, es muss bloß plausibel klingen. Erzähl was von Infektionen, von Parasiten. Rede so lange, bis ich wieder zurück bin. Klar?«
»Klar. Ich stell mir vor, ich wäre Anwalt, und lüge.«
»Davon könnten dir die Haare auch nicht noch mehr zu Berge stehen.« Manny erinnerte sich an das erste Mal, als sie Jake gesehen hatte. Er stieg gerade aus einem Hubschrauber. Ein zerzauster, grau melierter Haarschopf erinnerte an eine Kreuzung von Albert Einstein und Dr. Frankenstein. Liebe auf den ersten Blick.
Sie standen da, inmitten des Passantenstroms auf der First Avenue, und einen Moment lang fürchtete Manny, dass sie zu weit gegangen war, dass Jake auf dem Absatz kehrtmachen und sie einfach stehen lassen würde. Doch dann verdrehte er die Augen, schüttelte den Kopf und ging weiter in Richtung auf ihr Ziel.
Als sie sich dem Baldachin mit dem uniformierten Türsteher näherten, drückte Manny seine Hand. »Danke, Jake. Du bist ein echter Kumpel.«
»¡Ay! ¡Pobrecito!«
Monserrat Sandovals elegant manikürte Hände fuhren über das verfilzte Fell eines geretteten Hündchens, das im Zwinger von Home Again auf einem Haufen Lumpen lag. Das Foto war eines der besten in Mannys Mappe und zeitigte die gewünschte Wirkung. Manny sah, dass Tränen in Señora Sandovals Augen standen, während Jake, der neben ihr auf dem vornehmen Brokatsofa saß, seine Kommentare
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