Nadelstiche
Weisheitszähne.«
Bla, bla, bla. Sie zwang sich, genau zuzuhören und sorgfältig Notizen zu machen, wobei ihre Gedanken nur eine Sekunde lang zu dem Fall Carramia abdrifteten, als sie Jake ins Kreuzverhör genommen hatte. Jake war auf leicht trottelige und zugleich systematische Art ein charismatischer Sachverständiger gewesen. Schon beinahe sexy, obwohl er über Erbrochenes und Tod sprach. Sein braunes, von grauen Strähnen durchsetztes Haar, dazu seine kräftige Figur und der professorale Ton. Olivo war kein Jake. Gott sei Dank.
»Kurz gesagt«, schloss Olivo, »die Lücke zwischen dem oberen rechten seitlichen Schneidezahn und dem angrenzenden Eckzahn, auch Augenzahn genannt, belegt in Verbindung mit dem leichten Vorstand dieses Eckzahns mit einem angemessenen Maß an wissenschaftlicher Gewissheit, dass der Abdruck in dem Apfel mit dem Gebissabdruck von Travis Heaton übereinstimmt.« Er veranschaulichte seine Aussage mit Digitalaufnahmen des fraglichen Apfels.
Olivo lehnte sich im Zeugenstand zurück und verschränkte die Hände über seinem Rundbauch. Manny lächelte. Ein so selbstbewusster und entspannter Zeuge war doch wirklich ein netter Anblick.
Sie stand auf und ging zum Zeugenstand. Sie hatte ihre rote Haarmähne heute mit einer Schildpattspange gebändigt, was die Perlenkette um ihren Hals und die schlichten Perlenohrstecker gut zur Geltung brachte. Sie sah jünger aus als ihre neunundzwanzig Jahre und zu sittsam, um einem geachteten Wissenschaftler irgendwelchen Ärger zu machen.
Selbstgefälliger alter Knacker.
»Guten Morgen, Dr. Olivo.« Sie strahlte ihn an. »Danke für Ihre faszinierenden Erläuterungen.«
Er nickte. »Ich hab eine gewisse Berufserfahrung.« Den Zusatz »Im Gegensatz zu Ihnen, Kleines« verkniff er sich.
»Ich würde gern wissen, ob Sie nach der Explosion am Tatort waren.«
»Nein, selbstverständlich nicht.« Für so was bin ich zu wichtig, Sie dumme Pute.
Manny lächelte. Vielleicht war der Zeuge der Staatsanwaltschaft so gut vorbereitet, dass er wusste, wer jeweils für die Aufbewahrung dieses ach so wichtigen Beweisstücks zuständig war, mit dem er ihrem Mandanten den Garaus machen wollte.
»Aha, wer hat denn den Apfel sichergestellt?«, fragte sie weiter. »Die Kriminaltechniker vom FBI?«
»Nein.«
»Vielleicht das Spurensicherungsteam vom Hoboken Police Department?«
»Nein.«
»Dann bestimmt die Antiterroreinheit?«
»Äh, nein.«
»Also, Dr. Olivo, wer hat den Apfel aufgehoben?«
»Ähm, ich glaube, es war ein Detective, der später zum Tatort zurückgekehrt ist, um danach zu suchen.«
»Und was hat er damit gemacht? Hat er ihn in eine Papiertüte gesteckt, damit sich die Feuchtigkeit nicht staut und keine Bakterien drauf wachsen?«
Olivo rutschte nervös auf seinem Stuhl hin und her und rückte seine Clubkrawatte zurecht. »Nein, als er mir gebracht wurde, befand er sich in einer Plastiktüte.«
»Verstehe. Wissen Sie, wie warm es in der fraglichen Nacht war, Dr. Olivo?«
»Die exakte Temperatur ist mir nicht bekannt«, knurrte er.
Manny ging zum Tisch der Verteidigung zurück und ließ sich von Kenneth ein Blatt reichen. »Laut den Aufzeichnungen des landesweiten Wetterdienstes betrug die Temperatur am siebzehnten Mai um ein Uhr morgens an der Wetterstation Hoboken, New Jersey, 24 Grad. Ziemlich warm für Mai, was?«
»Ja.« Olivo starrte stur geradeaus.
»Haben Sie das Beweisstück noch in jener Nacht untersucht, Sir?«
»Nein.«
»Wann wurde Ihnen das Beweisstück übergeben?«
»Da muss ich in meinen Unterlagen nachsehen.« Dr. Olivo blätterte eine Seite um und griff gleichzeitig nach dem kleinen Plastikbecher mit Wasser neben dem Zeugenstand.
Manny tat so, als registrierte sie nicht, wie er gierig schluckte. Sie machte ihn allmählich nervös.
»Am Tag nach der Explosion. Die Probe traf um dreizehn Uhr dreiundvierzig in meinem Büro in Manhattan ein.«
»Und der Apfel war seit seiner Sicherstellung gekühlt aufbewahrt worden, nicht wahr, Dr. Olivo?«, fragte Manny.
Er stockte.
Komm schon, gib auf, Mr Klugscheiß-Experte. Ich kenne die Antwort schon, sonst hätte ich die Frage nicht gestellt.
»Nein.«
Manny merkte ihm an, dass er wusste, worauf sie hinauswollte, doch Lisnek blickte ungeduldig. Sie lächelte ihn im Vorbeigehen an und trat wieder vor den Zeugenstand. »Wissen Sie, Dr. Olivo, meine Großmutter, die aus Italien stammte, ist während der Weltwirtschaftskrise aufgewachsen, und sie hasste es, Nahrungsmittel
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