Nächte am Nil
von Kamelen knieten rund um den Markt, die Limonadenverkäufer hatten einen guten Verdienst.
Birgit lag wieder auf dem zerschlissenen Diwan und hatte die Augen geschlossen. Sie wußte, daß es nun kein Zurück mehr gab, nie mehr ein Wiedersehen mit Alf.
Ich habe noch Gift bei mir, dachte sie und faltete die Hände über der Brust. Zuraida hat es mir gegeben, für den ausweglosen Notfall. Eine kleine Ampulle. Ich trage sie verborgen in meinem Büstenhalter.
Und ich werde sie zerbeißen in dem Augenblick, in dem sie in Lagos die Gitter hinter mir schließen. So lange will ich noch warten und hoffen … auch wenn es kaum noch eine Hoffnung gibt.
Leb wohl, Alf.
Sie tastete zur Brust und fand die kleine Ampulle. Und plötzlich wurde sie ganz ruhig. Sie wunderte sich nur, wie wenig Mut dazu gehört, aus dem Leben zu gehen.
*
In Tobruk landete Hauptmann Brahms wütend auf dem Gelände der Fabrik. Die beiden geretteten Mädchen sprachen nicht mit ihm. Nur Lore Hollerau hatte nach einer Stunde Flug leise gefragt: »Stimmt es, daß Alfs Frau in Tobruk auf ihn wartet?«
»Ja«, hatte Brahms geantwortet.
Und dann wieder Schweigen. Mit zwei Weibern komme ich zurück, dachte Brahms und fluchte innerlich. Verdammt noch mal, ich hätte diesem Brockmann doch einen Schlag unters Kinn geben und nicht lange fragen sollen. Wie sehe ich nun aus vor den alten Kameraden? Als Retter von zwei Frauen. Sie werden mich alle für einen Idioten halten.
Aber auf dem Fabrikgelände stand niemand außer dem ›Besitzer‹ des Fieseler Storchs und einer völlig verängstigten Zuraida. Brahms ahnte schon Dunkles, als er Zuraida nicht winken sah. Mit hängenden Armen stand sie da, als käme jetzt vom Himmel ein vernichtendes Urteil.
Das Flugzeug rollte aus, der Motor erstarb, die Propellerflügel drehten sich noch im Auslaufen, da sprang Hauptmann Brahms schon aus seiner Kabine und reckte sich. Verwundert sah er hinüber zu Zuraida, die ihm nicht entgegenlief. Und jetzt erst fiel ihm auch auf, daß Birgit Brockmann nicht auf dem Platz stand und auf die Rückkehr ihres Mannes wartete. Niemand in Tobruk wußte ja, daß Brockmann nicht mit dem Flugzeug zurückkam.
»Wo ist Birgit?« schrie Brahms ahnungsvoll, noch bevor Zuraida etwas sagen konnte. »Ich kriege weiße Mäuse! Wo ist Birgit?«
»Fort«, sagte Zuraida leise und senkte den Kopf.
»Was heißt fort?« Brahms starrte sie entgeistert an. Aus dem Storch kletterten Aisha und dann, gestützt von dem Piloten und dem berlinischen Araber, die blinde Lore Hollerau. »Ich hatte dir den Auftrag gegeben, auf sie aufzupassen.«
»Keiner weiß, wie sie fortgekommen ist. Ich habe sofort alles unternommen.« Zuraida schloß die Augen. Das hochrote Gesicht Brahms' erschreckte sie. Jetzt schlägt er mich, dachte sie. Jetzt schlägt er mich zu Boden. Und ich werde es ihm nicht übelnehmen. »Sie ist nach Kufra geflogen.«
»Nach …« Hauptmann Brahms riß seine Schirmmütze vom Kopf und warf sie schmetternd in den Staub. »Es ist zum Junge-Hunde-Kotzen!« brüllte er. »Ich marschiere lieber mit einer ganzen Division durch den Dnjepr, als mit einem Weibsbild rund ums Haus! Nach Kufra! Was will sie denn da?«
»Vielleicht ihrem Mann entgegenfahren.«
»So ein Wahnsinn! Die libysche Wüste ist kein Rendezvous-Plätzchen.« Brahms rannte zum Flugzeug zurück und nahm den Piloten, der gerade seine Lederkappe abnahm, am Arm.
»Los, Junge!« schrie er. »Nichts mit Ausruhen. Los, rein in den Kasten und ab nach Kufra. Hoffentlich kommen wir zeitig genug, um das verrückte Heldenweib noch aufzuhalten.«
»Wat is'n los?« Der berlinische Araber kam unter der Tragfläche her. Er hatte einige Einschüsse gezählt. Bis jetzt siebzehn Stück. »Hat janz schön jebumst, wat? Wat brüllste denn so, Hauptmann?«
»Du bist verheiratet?« fragte Brahms schwer atmend.
»Na klar. Als Mohammedaner hab ick vier Frauen.«
»Vier? Und du lebst noch?« Brahms kletterte wieder in die Kabine. »Du mußt die Natur eines Bullen haben.«
»Bis jetzt klappt's noch.« Der Berliner grinste. »Wohin denn noch? Ich denke …«
»Nach Kufra! Das dritte Weib holen. Ich komme mir vor wie ein Pascha, der seine entschwundenen Weiber einsammelt.« Brahms beugte sich aus der Kabine und winkte Zuraida zu. »Paß auf die beiden da hinten auf!« schrie er. »Vor allem auf Aisha … das ist ein Satan!«
»Wo ist denn der Forscher?« fragte der Berliner.
»Der kommt zu Fuß. Als Kavalier. Junge, erinnere mich nicht daran. Ich platze
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