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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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sonst.«
    Brahms schloß mit einem Knall die Tür. Der Motor heulte auf, der Propeller wirbelte in der heißen Luft. Langsam rollte der Fieseler Storch wieder an.
    Aisha und Lore standen am Rande des Fabrikhofes und sahen dem Flugzeug nach. Lores tote Augen schienen es ebenso zu verfolgen wie Aishas glühender Blick.
    »Wohin fliegt er denn jetzt?« fragte Aisha.
    Zuraida atmete tief auf. Er hat mich nicht geschlagen, dachte sie. Jeder Orientale hätte mich gepeitscht, aber er hat mir nichts getan. »Er holt Birgit Brockmann«, sagte sie. »Sie ist ihrem Mann entgegengeflogen nach Kufra.«
    Aisha und Lore wandten sich ab. Aisha stützte die Blinde, und langsam gingen sie über den staubigen Platz zu einem wartenden Auto.
    »Ihr wohnt bei uns!« sagte Zuraida. »Wir haben am Stadtrand ein Haus gemietet. In zwei Tagen ist alles vorbei, und dann beginnt für uns ein neues Leben.«
    Lore und Aisha schwiegen.
    Ihr neues Leben hatte bereits begonnen. Ein Leben ohne Alf.
    In der Nacht verschwanden aus dem Haus Zuraidas die beiden Frauen, trotzdem alle Haustüren verschlossen waren. Sie waren aus dem Fenster des zweiten Stockwerkes geklettert. Eine Blinde aus dem zweiten Stockwerk. Fassungslos stand am Morgen Zuraida vor dem offenen Fenster und starrte in die Tiefe.
    Niemand hatte sie in der Nacht gesehen. So sehr sich Zuraida mit Hilfe der ehemaligen deutschen Soldaten bemühte – ihr Versteck blieb unbekannt.
    Aisha und Lore Hollerau blieben verschwunden.
    Ihr gemeinsames Schicksal, die unglückliche Liebe zu Alf Brockmann, wurde zum neuen Geheimnis der unendlichen Wüste.
    *
    In Bir Assi tobte General Assban wie ein Irrer. Er zerschlug einen Kartentisch, zwei Fensterscheiben und ein Bilderglas über dem Foto Albert Einsteins, das in der ehemaligen Villa Brockmanns in dessen Arbeitszimmer hing. Dann brüllte er seine Offiziere an und wollte nicht einsehen, daß nachts auch ein Hubschrauber nichts ausrichten kann.
    »Sie haben Scheinwerfer!« schrie er. »Sie sollen alles ableuchten! Seit wann finden Kriege nicht mehr nachts statt? Soll ich es den Piloten vormachen? Man fliegt und leuchtet unter sich den Boden ab!«
    »Wenn man weiß, was man ableuchtet, General. Aber wissen wir, welchen Weg die Karawane nimmt?«
    General Assban ließ sich schließlich überzeugen. Vier Hubschrauber, randvoll mit Soldaten und Munition, flogen in der Abenddämmerung los und landeten in der Nacht bei den sich wieder zusammengefundenen, versprengten Kamelreitern. Diese hatten ein Lagerfeuer entzündet und zeigten den Hubschraubern so den Weg.
    »Wir müssen warten bis zum Morgen«, sagte der junge, verwundete Leutnant, der nicht, wie Brahms annahm, tödlich getroffen worden war. »Aber dann nehmen wir sie in die Zange. Vier Hubschrauber und dreißig Mann … Brüder, wir können uns nicht noch einmal blamieren.«
    Die Nachtruhe aber war ein Glück für Alf Brockmann.
    Während die Ägypter biwakierten, zog die kleine Karawane die ganze Nacht hindurch weiter nach Westen, der libyschen Grenze entgegen. Oberfeldwebel Franz ritt voraus, ihm folgten Baraf mit dickverbundenem Oberschenkel und Alf Brockmann, der sich erstaunlich schnell von seiner Skorpionvergiftung erholte. Das Gegengift wirkte und trieb Fieber und Schwäche aus ihm heraus.
    Ab und zu blieb Franz stehen und ließ Brockmann heranreiten.
    »Geht es noch, Doktor?« fragte er. »Oder sollen wir rasten?«
    »Nein. Nein.« Brockmann winkte jedesmal ab. »Nur weiter. Ich fühle mich stark. Ich fühle mich wie ein Berserker, nachdem ich weiß, daß meine Frau lebt und auf mich wartet.«
    Franz lachte und ritt wieder an die Spitze. Wenn alles nach Plan läuft, dachte er, treffen wir gegen Mittag auf den uns entgegenkommenden Stoßtrupp. Dann kann ein ägyptisches Bataillon uns folgen – wir kommen durch.
    Alf Brockmann fühlte sich wirklich stark. Birgit lebt – dieser Gedanke wirkte wie eine Zaubermedizin. In zwei Tagen kann ich sie in meinen Armen halten, und ich werde ihr gestehen, was zwischen Lore und Aisha und mir geschehen ist. Sie wird es verstehen, sie ist eine kluge, liebe Frau, und sie wird auch einen Weg wissen für die Zukunft Aishas und Lores. Erst frei sein. Frei. Nie mehr das Gefühl haben, auf einer Kiste Dynamit zu sitzen. Und Ruhe. Endlich Ruhe.
    Im Osten kroch ein fahler Streifen über die Wüste. Der Horizont färbte sich orangerot.
    Der Morgen kam. Der letzte Wüstentag.
    Jenseits der Felsenbarriere flatterten in diesem Augenblick die vier Hubschrauber in den Himmel.

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