Nächte am Nil
Die Kamelreiter saßen auf.
Von Westen her kroch die Kolonne des deutschen Stoßtrupps heran. Nur vierzig Kilometer trennten sie noch von der kleinen Karawane Brockmanns.
*
Vier große, brummende Insekten umschwirrten den kleinen Lagerplatz mitten in der deckungslosen Wüste. Als die Sonne emporgestiegen war, hatten die Hubschrauber nach einigen Rundflügen, deren Kreisradius immer größer wurde, die einsame Karawane gesichtet.
Die Funkmeldung ging nach Bir Assi:
»Wir haben sie. Sie liegen in der Wüste. Hundert Kilometer von der Grenze entfernt. Wir umkreisen sie.«
Und General Assban befahl: »Vernichten! Rücksichtslos vernichten. Alf Brockmann darf nie die Grenze erreichen. Er weiß um das größte Geheimnis Ägyptens: die Langstrecken-Drei-Stufen-Rakete ›Walküre‹. Die einzige Rakete, die von Kairo bis Israel reicht, vom Nil bis zum Jordan.«
Vernichten!
Die vier Hubschrauber gingen tiefer und überflogen die kleine Karawane. Was sie aus der Luft beobachten konnten, war völlig rätselhaft und erschreckend zugleich.
Auf der Erde erschoß jemand die Kamele. Von Tier zu Tier ging er, setzte ihm ein Gewehr an die Stirn und drückte ab. Die Kamele kippten in den Wüstensand, lagen auf der Seite oder reckten die erstarrenden Beine in den wieder zur Glut werdenden blauen Himmel.
Auch das funkten die Hubschrauber nach Bir Assi. Sie erschießen ihre Kamele!
General Assban betrachtete die Karte. Wo Alf Brockmann jetzt gefunden worden war, hatte er einen dicken roten Kreis gezogen.
Überall Wüste. Kein Brunnen. Bis zur Grenze noch hundert Kilometer. Und sie morden ihre Tiere dahin!
»Entweder ist Brockmann wahnsinnig geworden, oder diese sinnlose Tat entpuppt sich wieder als eine riesengroße Schweinerei«, sagte Assban zu seinen Offizieren. »Kein Mensch mit Gehirn erschießt in der Wüste seine Kamele.«
Die vier Riesenhornissen umkreisten unterdessen die drei Männer und ihre erschossenen Kamele. Baraf hatte diesen Tiermord begangen, und es zeigte sich jetzt, daß er, der Mensch aus Nubien, richtig gedacht hatte.
»Herr«, hatte er zu Brockmann gesagt, als die vier Hubschrauber am Horizont auftauchten und auf sie zuflogen, »wir müssen halten. In etwa zwei Stunden werden die Männer aus Kufra hier sein. So lange können wir uns verteidigen. Aber die Kamele müssen sterben: Lebende Kamele rennen weg – tote sind ein guter Schutz gegen die Gewehrkugeln.«
»Und wenn die Männer aus Kufra nicht kommen?« fragte Brockmann unsicher. Oberfeldwebel Franz sah auf seine Uhr.
»Sie kommen bestimmt. Nur auf die Zeit lege ich mich nicht fest. Es sind alles erfahrene Afrikakämpfer.« Er blickte empor zu den Hubschraubern. »Mist verdammter! Um ein paar Stunden zu früh. Aber was hilft's? Baraf hat recht. Wir brauchen einen Kugelfang. Und unter Garantie werfen sie Handgranaten. Da ist ein Kamelleib sicherer als hundert pralle Sandsäcke.« Er ließ sein Kamel niederknien und sprang in den Sand. Es ging sehr schnell. Um die toten Kamelleiber herum schichteten sie die Lasten auf. Die Kisten und Ballen, die Sättel und verschnürten Zelte. Jeder schuf so für sich eine kleine Burg, bewarf alles von außen mit Sand und grub sich neben den Kadavern ein.
Hundert Meter vor ihnen, in einem Kreis, landeten die Hubschrauber. Rechts und links sprangen die Soldaten heraus und formierten sich zu einem Ring, der auf ein Kommando hin auf die kleine Totenburg marschierte. Ein Ring der Vernichtung, eine Schlinge, die sich langsam zuzog.
Baraf nickte grimmig. Oberfeldwebel Franz lag hinter dem Hals seines erschossenen Kamels und wartete. Zwischen Hals und Kopf des Tieres hatte er ein altes, deutsches MG 42 in Stellung gebracht. Auch diese Waffe gab es jetzt, zwanzig Jahre nach dem Zweiten Weltkrieg, noch in Tobruk, gut geölt und gepflegt, als sei morgen Waffenappell in der Kaserne.
Ahnungslos marschierten die Ägypter auf die kleine Burg in der Wüste. Ihre Schnellfeuergewehre blinkten in der Sonne. Ein neues Kommando. Der Ring stand. Durch ein Megaphon wandten sie sich an die Deutschen.
»Kommt heraus!« rief ein Offizier in englischer Sprache. »Hände hoch! Es hat keinen Zweck mehr. Wenn wir näher kommen, werden wir euch vernichten.«
»Leck mich am Arsch!« sagte Oberfeldwebel Franz. »Du kennst ein MG 42 noch nicht. Wenn ich den Finger krumm mache, kocht dir das Wasser im Hintern.«
Der Offizier wartete eine Minute.
Keine Antwort. Hinter den toten Kamelen rührte sich nichts.
Ein Schuß in die Luft. Der Ring
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