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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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wie wertvoll Ihr Mann für Ägypten und für uns ist? Wir alle sind der Ansicht, daß Alf Brockmann nicht durch einen Unfall gestorben ist, sondern daß man seinen Tod nur ausgestreut hat und er selbst an einem geheimen Ort weiterarbeitet. Er muß tot sein, damit niemand die letzten Arbeiten stört. Noch hat man nämlich keinen Stahl, der die Brennhitze des neuen Treibstoffs aushält.«
    »Alf lebt?« stammelte Birgit mit weiten Augen. »Und der Totenschein?«
    »Gefälscht.«
    »Und … und die Urne …«
    Zuraida erhob sich und umkreiste den Tisch wie ein Geier. »Asche eines anderen Menschen. Liebe Frau Brockmann, Sie wissen nicht, wie wenig wert ein Mensch im Orient ist. Es gibt Tote genug, die man verbrennen kann … ein alter Fellache, ein verhungerter Bettler, ein unbekannter Beduine … sie liegen herum wie trockenes Holz oder sterben in den Massensälen der staatlichen Auffangkliniken, und keiner kümmert sich um sie. Nicht mal ihren Namen kennt man. Was bedeutet da schon eine Urne voll Asche?«
    Wenig später war Zuraida gegangen, auf dem gleichen Weg, den sie gekommen war. Über die Terrasse und durch den Garten. »Ich und meine Freunde helfen Ihnen immer«, hatte sie zum Abschied gesagt. »Rufen Sie nur diese Nummer an.«
    Sie gab Birgit Brockmann einen Zettel mit einer Hamburger Telefonnummer. Birgit steckte ihn ein wie etwas Ekelerregendes, das man einem aufdrängt und das man nicht wegwerfen kann, solange der andere zusieht.
    Als Zuraida in der Dunkelheit der Nacht zwischen den Büschen und dem gluckernden Kanal verschwunden war, lief Birgit zurück ins Zimmer und rief Konrad Gerrath an. Sie mußte lange durchläuten lassen, bis sich die verschlafene Stimme Gerraths meldete.
    »Bitte, komm sofort, Konrad!« rief sie mit zitternder Stimme. »Es ist dringend. Ich … ich habe Angst.«
    »In einer Viertelstunde bin ich draußen!« Er fragte nicht lange, sondern warf den Hörer auf die Gabel zurück. Birgit Brockmann atmete auf. Sie verriegelte die Terrassentür, ging durch alle Zimmer, knipste überall das Licht an, schaltete die Außenbeleuchtung ein und verkroch sich dann in die Couchecke, bis sie draußen das knirschende Bremsen eines Autos hörte und die Haustürglocke durch die Stille der Nacht schrillte.
    Immer und immer wieder, wie gebannt, hatte sie in den Minuten des Wartens die blinkende Urne angestarrt. Es ist nicht Alf, dachte sie dabei und hämmerte es sich ein, weil sie es selbst glauben wollte. Es ist nicht Alf … nicht Alf … nicht Alf …
    »Himmel, was ist los, Birgit?« rief Gerrath, als er in der kleinen Diele stand. Er hatte sich nur halb angezogen, wie ein Arzt, der nachts zu einem Patienten gerufen wird, bei dem es auf die Minute ankommt. Über seinen Schlafanzug hatte er seinen Anzug gezogen. Auf Kinn und Wangen sprossen stachelige Bartstoppeln. Auch die Haare hatte er nur flüchtig gekämmt, einige Strähnen hingen ihm über die Augen.
    »Die Urne –«, stammelte Birgit und lehnte sich an ihn. »Ich hatte vorhin Besuch –«
    »Besuch?«
    »Ein Mädchen. Zuraida heißt sie. Sie hat … sie hat die Urne aufgesägt.«
    »Mein Gott!«
    »Und sie sagt, daß Alf gar nicht tot ist … Man hat seinen Tod nur vorgetäuscht. Und Alf soll Raketen bauen. Wußtest du das?«
    »Ja«, antwortete Gerrath gepreßt. Er faßte Birgit um die Schulter und schob sie in das Wohnzimmer. Mit einem Blick sah er den abgesägten Urnendeckel und die Säge, die noch immer am Tischbein lehnte.
    In diesem Augenblick wußte er genau, daß Birgit Brockmann und damit auch er in das Spannungsfeld internationaler Agenten geraten waren. Er war Realist genug, um zu begreifen, was das bedeutete: Erbarmungslosigkeit, Skrupellosigkeit, Mord und Erpressung. Zunächst aber höchste, allerhöchste Gefahr für Birgit. Er sah ihr an, daß sie nicht erkannte, in wessen Mittelpunkt sie ab heute stand. Das grausame Spiel der Geheimdienste war ihr fremd. Sie hatte ein paarmal davon gelesen, in Zeitungen und Illustrierten, vielleicht auch einen Film gesehen, und dann wieder das phantastische Geschehen vergessen, das sich ein Schreiber da ausgedacht hatte. Wie konnte sie wissen, daß die Wirklichkeit viel grausamer war? Hier wurde nicht laut geschossen und gerauft, hier geschah alles in der Stille, im Geheimen, wie hinter einem schwarzen Vorhang. Ein Tod in Filzpantoffeln.
    Birgit Brockmann trat an das Terrassenfenster und starrte hinaus. Obgleich es schwül war, fror sie und zog die Schultern hoch.
    »Alf arbeitet also für die

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