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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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können jetzt nur warten, Lore. Und tapfer mußt du sein, ganz tapfer. Ich bin jetzt immer bei dir.«
    Mit einem Lächeln schlief sie ein. Aber niemand sah dieses Lächeln … es lag verborgen unter den Binden.
    *
    Vergeblich wartete Detlef-Jörg auf seinen neuen Freund, der die Menschenfresser kannte. Über eine Stunde wartete er an der Regentonne, dann ging er enttäuscht ins Haus, hatte keinen Hunger zum Abendessen und legte sich schmollend ins Bett.
    Zareb Ibn Omduran hatte, als er nach Hamburg zurückkehrte, eine andere Order bekommen.
    »Nur beobachten«, sagte der Mittelsmann zu ihm. »Das Kind läuft uns nicht weg. Erst wenn die Frau wirklich abreisen sollte, greifen wir zu diesem letzten Mittel. Solange man Aufsehen vermeiden kann, sollte man es tun. Also abwarten!«
    Zareb war es recht. Er hatte neue Zwiebelimporte unterwegs und verhandelte mit einigen Großeinkäufern und Supermärkten. Ein ganzes Schiff voller Zwiebeln schwamm heran, und je eher Zareb die Ladung verkaufte, um so geringer war natürlich der Verlust durch Fäulnis oder Austrocknung.
    In diesen Tagen wurde auch die Urne Alf Brockmanns beigesetzt. Es geschah in aller Stille, es war nur eine Formsache. Weder Jörgi noch andere Verwandte erfuhren etwas davon, denn für Birgit war in der Urne nicht ihr Alf, sondern eine fremde Asche. Nur Berta Koller, Konrad Gerrath, Birgit und ein Friedhofswärter, der ihnen den Platz auf dem Urnenfriedhof zeigte, begleiteten das schöne kupferne Gefäß, das man wieder zugelötet hatte. Obgleich es unnötig war, aber um den Schein der Trauer zu wahren, legte Birgit sogar ein Blumengebinde neben die Urne und verharrte wie im stummen Gebet.
    Berta Koller war in den vergangenen Tagen ganz still geworden. So wenig sie ihren Schwiegersohn gemocht hatte, so sehr ergriff sie die Trauer und doch Auflehnung gegen das Schicksal. Gerrath hatte zu Berta Koller gesagt: »Es ist völlig sinnlos, Birgit von der Wahrheit zu überzeugen. Sie glaubt es einfach nicht.« Und später, nach der Rückkehr aus Hamburg und dem Besuch des mysteriösen Hauses an der Elbaussicht, meinte er: »Es gibt Dinge, die man wirklich nicht glauben kann; man muß sie einfach hinnehmen.« Das klang geheimnisvoll, Berta Koller begriff es nicht, aber sie hörte auf, Alf Brockmann zu beschimpfen. Ein Toter hat das Recht auf Ruhe.
    Plötzlich, an einem lauen Sommerabend, stand wieder Zuraida im Zimmer. Sie trug ein Reisekostüm und begrüßte Birgit wie eine alte Freundin.
    »Es ist soweit«, sagte sie. »Das Flugzeug wartet auf uns.«
    Birgit spürte, wie ihr Herz aussetzte. »Wann?« fragte sie zurück.
    »Sofort.«
    »Aber das geht doch nicht …«
    »Warum denn nicht? Ach, wegen der Kleider? Ein kleiner Koffer genügt. Was wir in Afrika brauchen, kaufen wir in Bengasi. Wir haben noch eine Stunde Zeit, dann erreichen wir das Flugzeug rechtzeitig.«
    Birgit blieb mitten im Zimmer stehen, ihre Arme hingen schlaff an ihrem Körper.
    »Aber es ist doch gar nichts geregelt. Meine Mutter … mein Kind … Ich kann doch nicht einfach wegfahren …«
    »Es geht uns darum, daß möglichst wenig Aufsehen gemacht wird. Schreiben Sie an Ihre Mutter und an Herrn Gerrath einen Brief.« Die Stimme Zuraidas war plötzlich kalt und herrisch. Sie sprach nicht mehr, sie befahl. »Wir müssen uns nach den Gegebenheiten richten, und diese werden nicht hier bestimmt.«
    »Was … was kann ich mitnehmen?« fragte Birgit leise.
    »Einen kleinen Koffer mit dem Nötigsten. Kommen Sie, ich helfe Ihnen packen.«
    Eine halbe Stunde später hatte Birgit ihren kleinen Reisekoffer gepackt und zwei kurze Briefe geschrieben. Dann ging Zuraida mit ihr hinauf in Jörgis Zimmer.
    Der Junge schlief tief und fest mit geballten Fäusten. Durch Birgits Körper zuckte es. Sie hielt sich am Fußende des Bettes fest und atmete tief und laut.
    »Wecken Sie ihn nicht auf«, flüsterte Zuraida. »Das mag alles ein wenig grausam und unverständlich klingen, aber wir haben unsere Gründe dafür.«
    Birgit nickte stumm. Sie beugte sich über Jörgi und küßte ihn behutsam auf die Stirn und die trotzigen Lippen. Dann zog Zuraida sie vom Bett weg und schloß hinter ihr die Tür. Sie spürte den Widerstand Birgits und bemerkte in ihren Augen den Willen, nicht zu fahren.
    Und jetzt, in dieser kritischen Minute, sagte Zuraida, was in Birgit allen Widerstand niederriß:
    »Kommen Sie … wehren Sie sich nicht … Wir wissen, daß Ihr Mann noch lebt.«
    Mit steifen Beinen, wie eine aufgezogene Puppe,

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