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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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nach innen mit der Reißleine der Bombe verknüpft war, warf sich Aisha seitlich auf die Erde, drückte das Gesicht in die Erde und hielt sich die Ohren zu.
    Im Zimmer quoll aus dem Paket ein helles Zischen, als Lore Hollerau an dem Knoten gezogen hatte. Geistesgegenwärtig warf sie das Paket von sich, es prallte gegen eine Kommode – aber es blieb ihr keine Zeit mehr, aus dem Zimmer zu rennen oder sich hinzuwerfen. Eine hohe Stichflamme schoß aus dem Paket, etwas Heißes fuhr Lore Hollerau über Gesicht und Augen, die Welt ging in einem grellen Feuer unter. Den Knall der Explosion hörte sie nicht mehr. Mit dem Gefühl, zu verbrennen, fiel sie in Bewußtlosigkeit.
    *
    Im Militärhospital von Assiut am Nil wachte Lore Hollerau auf. Sie fühlte sich wie auf weichen Daunen schwebend, ein dicker Verband umhüllte ihren Kopf. Auf beiden Augen spürte sie einen leichten Druck, als habe man Wattebäusche darauf gelegt. Schmerzen hatte sie keine, nur ein Brennen und Jucken an den Augen war unangenehm.
    Als sie sich bewegte und den Arm hob, um den Kopf abzutasten, ergriff jemand ihre Hand und legte sie auf die Bettdecke zurück. Eine Stimme – die Stimme Alf Brockmanns – sagte tröstend:
    »Ganz ruhig liegen, Lore. Und keine Angst. Das Teufelsding hat Sie nur leicht verletzt. Sie haben ungeheures Glück gehabt.«
    »Das Paket«, sagte Lore schwach. »Ich machte die Verschnürung auf …«
    »Ganz ruhig. Nicht so viel sprechen.« Alf Brockmann hielt ihre über das Bett tastende Hand fest. »Es war eine jener grausamen Todesfallen, mit denen die Geheimdienste arbeiten. Bis heute wissen wir nicht, wie das Paket zu Ihnen auf den Tisch kam.« Brockmann zögerte, dann fügte er hinzu: »Im übrigen sollte das Paket mir gelten.«
    »Wer sagt das?«
    »Assban.« Brockmanns Stimme klang bitter. »Ich habe immer geglaubt, für den Fortschritt zu arbeiten. Aber es gibt keinen Fortschritt, der nicht zugleich auch Vernichtung sein kann. Das ist das Teuflische an der Zivilisation. Ich habe mich auf dieses Abenteuer eingelassen – nun werde ich sehen müssen, wie ich es überlebe. Aber daß Sie, Lore, darunter zu leiden haben, ist für mich fürchterlich.«
    Der dickverbundene Kopf Lores drehte sich langsam zu Alf Brockmann. Es war, als könne sie ihn durch die dicken Bandagen sehen.
    »Es war gut so«, sagte sie kaum hörbar. »Sie sind gesund geblieben. Um mich ist es nicht schade … wer bin ich denn schon?«
    »Das dürfen Sie nicht sagen, Lore.« Brockmann beugte sich über sie. Ganz leicht streichelte er über ihren Hals und spürte, wie sie unter dieser Berührung erschauderte. »Wenn Sie wieder gesund sind, werden wir uns überlegen, wie unsere gemeinsame Zukunft aussehen soll.«
    Lore Hollerau schwieg. Die Augenhöhlen brannten. Auch ließ das wohlige Gefühl des schwerelosen Schwebens nach. Über ihr Gesicht zuckten Schmerzen wie in das Fleisch einschneidende Blitze.
    »Wo bin ich jetzt?« fragte sie und drehte den Kopf wieder zu Alf Brockmann.
    »In Assiut. Die besten Ärzte haben Sie versorgt.«
    »Und was habe ich?«
    »Ein paar Verbrennungen, weiter nichts.«
    »Im Gesicht? Ich werde also später häßlich aussehen? Bitte, sagen Sie nicht nein. Ich habe im Krieg diese Verletzungen gesehen. Es war furchtbar.«
    Alf Brockmann schluckte. Kraft, sagte er zu sich. Ich brauche Kraft, um jetzt weiterzusprechen.
    »Es waren nur ein paar Splitter, Lore, weiter nichts. Die Narben kann man später wegoperieren, und man sieht nichts mehr davon.«
    »Und die Augen?«
    »Was soll mit den Augen sein?« fragte Brockmann dumpf.
    »Sie brennen so.«
    »Das wird vorübergehen. Mit den Augen ist gar nichts, Lore.«
    Er ergriff wieder ihre Hand und hielt sie tröstend fest. Dabei dachte er an die Worte, die der Chefchirurg, Major Bakal, ihm vor einer Stunde erst gesagt hatte. »Sie wird auf beiden Augen blind bleiben. Hornhaut und Netzhaut sind zerstört. Es gibt da überhaupt keine Hoffnung mehr …«
    »Bleiben Sie jetzt hier, Chef?« Die Stimme Lores wurde wieder müde. Sie spürte, wie sie wegglitt, klammerte sich an das Bewußtsein und konnte es doch nicht festhalten.
    »Ja, ich bleibe hier, bis ich Sie wieder mitnehmen kann.«
    »In die Oase?«
    »Nein. Hoffentlich nach Deutschland. Wir wollen den Rest unseres Lebens ohne die ständige Angst vor dem Tode verbringen.«
    »Und … was … was sagt Assban dazu?«
    »Er schweigt. Aber er sagt auch nicht nein.« Er beugte sich über ihren unförmigen Kopf und küßte ihre Halsbeuge. »Wir

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