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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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stieg Birgit vor Zuraida die Stufen der Treppe wieder hinunter. Sie nahm ihren Koffer, ging nicht mehr ins Zimmer zurück, sondern öffnete die Haustür. Erst draußen, als sie durch den Vorgarten gingen, fand sie ihre Sprache wieder.
    »Er lebt?«
    »Ja. Wir wissen es ganz genau.«
    »Und ich werde ihn wiedersehen?«
    »Wenn Gott uns hilft.« Zuraida blieb stehen und nahm Birgit den Koffer ab. Sie sah, wie zentnerschwer er für Birgit war. »Wissen Sie, daß wir etwas völlig Irrsinniges unternehmen, etwas so Phantastisches, daß es uns niemand glauben wird?«
    »Ja.«
    »Und Sie haben keine Angst?«
    »Nein.« Birgit Brockmann stieß die Vorgartenpforte auf. »Ich tue es doch aus Liebe.«
    *
    Bei Zareb Ibn Omduran läutete das Telefon.
    »Einen Augenblick«, sagte der Zwiebelimporteur und griff zum Hörer. Vor ihm saßen gerade drei Herren einer Supermarktgesellschaft und verhandelten über 1.000 Zentner Zwiebeln. Nach guter orientalischer Sitte feilschte man um lumpige 100 DM, die bei diesem Preis nicht ins Gewicht fielen, aber es gehörte zum Prestige.
    »Aktion B läuft an«, sagte eine Stimme, so ruhig, als bestelle sie einen guten Tag. »Fahren Sie sofort.«
    Zareb seufzte laut, legte den Hörer zurück, klatschte in die Hände und sagte mit schmerzverzerrter Miene: »Also dann, meine Herren, ich gebe mich geschlagen. Sie sollen die 100 DM Rabatt extra haben. Ich muß in dringenden Geschäften zum Hafen, mein Sekretär wird alles erledigen. Guten Tag.«
    Minuten später fuhr Zareb mit seinem VW über die Autobahn nach Lübeck. Auf diese Stunde war alles vorbereitet: die Entführung, selbst das Versteck, die Verpflegung des Jungen und – falls auch das befohlen wurde – die restlose Beseitigung des kleinen Körpers in einer Zinkwanne voll Schwefelsäure. Sie stand im Keller des Hauses, das vorerst als Versteck dienen sollte.
    Zareb Ibn Omduran traf gegen Mittag in Lübeck ein. Er fuhr sofort zum Kindergarten, wo die Kinder noch im Garten spielten. Detlef-Jörg war nicht darunter. Zareb wartete über eine Stunde an der Mauer und beobachtete und betrachtete jedes Kind. Dann war er sicher, daß Jörgi an diesem Tage zu Hause geblieben war; anscheinend weinte er, weil seine Mutter plötzlich verreist war.
    Im Garten des kleinen, weißen Hauses am Kanal sah er dann den Jungen traurig auf einem Ziegelstein sitzen und auf das Wasser starren. Er pfiff leise, Jörgi hob den Kopf und erkannte seinen lang vermißten Freund von den Menschenfressern. Er blickte sich nach allen Seiten um, ob ihn auch keiner beobachtete, sah Konrad Gerrath und die Omi unter dem Sonnenschirm auf der Terrasse sitzen und Kaffee trinken, und schlenderte, die Hände auf dem Rücken und vor sich hin pfeifend, vom Kanalufer weg zu den Büschen, in denen sich Zareb verborgen hielt.
    »Bist ein kluger Junge«, sagte Zareb lobend, als Jörgi zu ihm hinter den Busch trat. »Hat dich keiner weggehen gesehen?«
    »Keiner.« Jörgi zupfte Zareb an der Jacke. »Hast du die Bilder mitgebracht?«
    »Aber ja. Im Wagen liegen sie. Ein ganzer Haufen. Komm mit!« Sie schlichen sich aus dem Garten, rannten im Schutze der Hecke zu dem Nebenweg und kamen zu Zarebs Wagen.
    »Einsteigen, junger Mann«, sagte Zareb fröhlich. »Du kannst ja schleichen wie ein Indianer.«
    Jörgi lachte. Er kletterte in den Wagen und zog die Tür hinter sich zu. In diesem Augenblick drückte Zareb ihm einen Wattebausch gegen Nase und Mund. Jörgi wollte schreien, er atmete einen süßlich-starken Geruch ein, seine abwehrerhobenen Arme wurden schlaff und fielen herab, sein Kopf sackte nach hinten, sein kleiner Körper streckte sich.
    Zareb wickelte den Wattebausch in einen Plastikbeutel, ließ einen Moment beide Türen des Autos offen, um das Chloroformgas abziehen zu lassen, schob sich dann neben Jörgi ans Steuer und raste auf Nebenstraßen bis zum Autobahnzubringer. Dort, hinter einem Gebüsch, drückte er noch einmal den Wattebausch an Jörgis Nase, legte den Jungen dann auf die Hintersitze und breitete eine Decke über ihn. Dann fuhr er auf die Autobahn, nach Hamburg zurück. Sogar das Radio stellte er an.
    Zareb Ibn Omduran grinste breit.
    Es ist ja so einfach, Schicksal zu spielen.
    *
    Zwei Stunden später wimmelten das kleine Haus am Kanal und der große Garten von Polizeiuniformen und Kriminalbeamten.
    Berta Koller lag in tiefer Ohnmacht auf dem Sofa, ein Arzt bemühte sich um sie mit herzstärkenden Injektionen. Konrad Gerrath lief wie ein Raubtier im Käfig hin und her,

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