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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Zimmer unter dem Dach und zwei Gummischürzen und saß schon eine Stunde später in einem dreckigen Nebenraum der Küche, las Salat aus, spülte ihn in großen Holzbottichen und ließ ihn in verbeulten Sieben abtropfen. Dann schälte sie Kartoffeln, drei Eimer voll, und ab und zu sah Franco Bertolli in den Raum, beobachtete Birgit stumm und ging wieder hinaus.
    Am Abend, als im Speiseraum das Stimmengewirr der Gäste und das Klappern der Teller schwach zu ihr hinüberklang, als sie für das Mittagessen des kommenden Tages vorgearbeitet hatte, hielt sie die Hand auf, als Bertolli wieder nach ihr sah.
    »Meinen Lohn bitte«, sagte sie.
    »Was? Jetzt schon?«
    »Ich will Briefpapier und Briefmarken kaufen. Mehr nicht.«
    Franco Bertolli zählte ihr 2.150 Lire in die Hand. »Die Stunde 307 Lire«, sagte er. »Das ist gut bezahlt. Im übrigen bin ich mit Ihrer Arbeit zufrieden, Signora. Der Salat war noch nie so sauber. Kein einziges Sandkörnchen knirscht zwischen den Zähnen.«
    An diesem Abend schrieb Birgit noch einmal an Konrad Gerrath und brachte den Brief selbst zur Post. Dann lag sie erschöpft und wie mit gebrochenen Knochen auf dem harten Eisenbett und sah durch das kleine Fenster zum Sternenhimmel über Salerno.
    In spätestens drei Tagen ist Gerrath hier, dachte sie. Er wird mich beschützen. Er wird mich sicher nach Hause bringen.
    Sie sprang auf, lief zum Fenster und verriegelte es. So sinnlos es war – sie hatte Angst. Angst vor Zuraida, der sie bisher blindlings gefolgt war.
    *
    Acht Tage später nahm Birgit einen Tag Urlaub von Franco Bertolli und fuhr mit dem Omnibus nach Neapel. Aus Deutschland war keinerlei Nachricht gekommen. Was sie befürchtet hatte, schien wahr zu sein: Die Post an Gerrath und auch an sie wurde auf geheimnisvolle Weise überwacht. Wenn Gerrath den Brief, den sie den Engländern mitgegeben hatte, und später ihren zweiten Brief erhalten hätte, müßte er längst in Salerno eingetroffen sein. Das wenigste wäre ein Telegramm gewesen. Aber es rührte sich nichts.
    Nach acht Tagen des Wartens entschloß sich Birgit, nun doch bis zum deutschen Konsul vorzudringen. In diesen acht Tagen hinter der Küche Bertollis, beim Gemüseschneiden und Kartoffelschälen, hatte sie die anfängliche Angst überwunden. Ich werde schreien, dachte sie, als sie am Omnibusbahnhof in Neapel ausstieg und ihr Blick auf den leicht qualmenden Vesuv fiel. Ich werde um mein Leben schreien, und es wird keinen geben, der mich unbemerkt wegschleppen kann. Alle werden mir helfen: die Leute auf der Straße, die Frauen und Männer, die Polizei, die Konsulatsangestellten. Man kann einen Menschen nicht am hellen Tag vor aller Augen entführen. So etwas gibt es nicht.
    Birgit ließ sich den Weg zum deutschen Konsulat von einem Polizisten erklären, der am Ärmel einen Streifen mit der Aufschrift: ›Man spricht Deutsch‹ trug. Dann ging sie durch die engen Straßen, wo von Fenster zu Fenster, quer über die Gassen, die nasse Wäsche zum Trocknen gespannt war, kam in ein Stadtviertel mit Geschäftshäusern und Banken und entdeckte schon von weitem das Schild: Konsulat der Bundesrepublik Deutschland.
    Die Straße war ziemlich menschenleer. Es war um die Mittagszeit, die heiße Luft stand in Neapel wie in einem Backofen. Wer nicht unbedingt unterwegs sein mußte, lag in einem kühlen Zimmer und döste.
    Birgit blieb an der Straßenecke stehen und beobachtete die wenigen Menschen, die entweder in den Haustüren standen oder im spärlichen Schatten der Häuser hitzemüde die Straße entlanggingen.
    Einige Autos parkten am Bordstein, meistens kleine italienische Wagen. Vor dem Konsulat standen zwei größere Wagen, auch mit neapolitanischer Nummer.
    Es ist gefahrlos, sagte sich Birgit. Ein paar lange Schritte das Aufreißen einer Tür, und ich bin in Deutschland. In Sicherheit. Bei Jörgi.
    Sie begann zu laufen, als verfolge man sie. Den Kopf in den Nacken geworfen, rannte sie über die glutheiße Straße zum Konsulatsgebäude.
    Noch zehn Schritte … sieben … fünf … die Tür. Erreicht! Erreicht! Jörgi! O Jörgi!
    Mit beiden Händen umklammerte sie die große, bronzene Klinke und drückte sie herunter. Aber die Tür bewegte sich nicht. Sie war abgeschlossen.
    Geschäftszeit von 9 bis 12. Auch bei einem Konsulat. Auch Konsuln müssen zu Mittag essen.
    Verzweifelt rüttelte Birgit an der schweren Tür, bis sie die Klingel sah. Aber bevor sie den Finger darauf legen konnte, faßte sie jemand an der Schulter und drehte sie

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