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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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hob das Abschleppseil hoch. Dann blieb er vor Aisha stehen, sah sie aus großen Augen an und sagte: »Übrigens, ich heiße Ludwigs, Hans Ludwigs. Ich vertrete in Ägypten eine deutsche Firma. Darf ich fragen, wie ich Sie anreden darf?«
    »Sie sind Deutscher? Wie interessant.« Sie trat etwas zur Seite. Der fremde Mann war ihr auf den ersten Blick sympathisch. Er hat genauso blaue Augen wie Alf, dachte sie. Er muß ein guter Mensch sein. »Ich bin Ihnen so dankbar, daß Sie mir helfen wollen«, sagte sie und lächelte betörend. »Ich heiße Aisha.«
    Das Lächeln Hans Ludwigs' gefror. Es blieb in seinen Mundwinkeln hängen, aber die Augen verwandelten sich in ein deutliches Entsetzen. Es war ihm, als griffe eine eisige Hand nach seinem Herzen. Stumm, mit hängenden Armen, sah er zu, wie Aisha sich bückte, um an der Karosserie des Wagens einen Haken zu suchen, wo man das Abschleppseil befestigen konnte. Dabei spannte sich der Rock über den Hüften und ließ ihren wundervollen, weichen Schwung ahnen.
    Ludwigs schluckte wie ein Verdurstender, der nur noch seinen Speichel hat.
    »Aisha –«, sagte er heiser. »Aus Bir Assi kommen Sie?«
    »Ja.« Aisha hatte einen Haken gefunden, unter dem Abdeckblech des Motors, an einer Eisenverstrebung. »Hier können Sie einhaken.« Sie sah Ludwigs, vor dem Wagen hockend, groß an. Sein plötzlich verändertes Benehmen fiel ihr auf. Sie warf die langen Haare in den Nacken und lachte ihn an. »Sie wollen auch nach Bir Assi?«
    »Ja«, sagte Ludwigs dumpf.
    »Dann müssen Sie ein einflußreicher Mann sein. Hundert Kilometer südlich beginnen die ersten Sperren. Und dann kommt ein Minengürtel. Der einzige Weg, der hindurch führt, ist vom Militär abgeriegelt. Haben Sie einen Durchlaßausweis?«
    »Ja.«
    »Dann ist's gut.« Aisha nahm das Nylonseil und hakte es ein. »Sonst hätten Sie mich nach El Minya abschleppen müssen.«
    »Sie wohnen auch in Bir Assi?« fragte Ludwigs und kaute an den Worten wie an schimmeligem Brot.
    »Ja. Ich arbeite dort.« Aisha richtete sich auf und setzte sich hinter das Steuer. »Können wir? Ich habe noch nie einen abgeschleppten Wagen gesteuert. Seien Sie also nachsichtig mit mir.«
    Ludwigs nickte. Nachsichtig, dachte er. Und ich habe ihr Todesurteil in der Tasche. Sofort zu vollziehen. Noch etwas habe ich bei mir, was ich dem guten Brahms nicht sagen konnte: den Auftrag, diesen geheimnisvollen Weißen unschädlich zu machen. Er soll dabei sein, eine Rakete zu entwickeln, die ganze Kontinente überwindet.
    »Wo wohnen Sie, Aisha?« fragte er und kontrollierte das Abschleppseil, nur um sie nicht ansehen zu müssen.
    Aisha schwieg. Dann sagte sie, als Ludwigs sich aufrichtete, leichthin: »Setzen Sie mich am Wadi ab. Vielleicht treffen wir uns später in der Oase irgendwann und irgendwo.«
    »Das klingt geheimnisvoll.«
    »Ganz Bir Assi ist geheimnisvoll. Das wissen Sie doch.«
    »Sie sprechen ein fabelhaftes Englisch.«
    »Mein Urgroßvater war Engländer.« Aisha lehnte sich zurück. Das Kleid spannte sich über den Brüsten. Ludwigs sah schnell weg. Der Gedanke, sie morgen als Tote zu sehen, war wie ein Feuer in ihm, das sein Herz zerstörte. »Bei uns zu Hause wurde immer zweisprachig gesprochen.« Sie drückte auf die Hupe. Ludwigs schrak zusammen wie unter einer Sirene, die plötzlich aufheult. »Können wir, Mr. Ludwigs?«
    »Ja.«
    Mit steifen Beinen ging Ludwigs zu seinem Wagen, befestigte das Seil an dem Abschlepphaken und setzte sich hinter das Steuer.
    Nie, dachte er dabei. Nie töte ich sie. Ich werde mit der Zentrale verhandeln, und wenn das nichts hilft, werde ich sie warnen und helfen, daß sie flüchten kann. Und wenn sie einen anderen nach Bir Assi schicken, wird es Kampf geben.
    Er ließ den Motor an, und das Brummen und Rumpeln machte ihn nüchterner. Sie ist die Geliebte des weißen Forschers geworden, dachte er weiter, und dieser Gedanke war gallig und ekelhaft. Sie hat ihren Auftrag verraten, weil sie diesen Weißen liebt. Sie ist das schönste weibliche Wesen, das ich je gesehen habe. Sie hat die Faszination des Wüstenkindes und die Kühle des Europäers. Ihr Körper strömt Glut aus, aber vor dieser Glut ist eine unsichtbare Wand aus Eis. Erst wenn man durch sie hindurchgedrungen ist, verbrennt man in ihrer Liebe. Sie ist so völlig wilde Natur, daß man verstehen müßte, daß bei ihr die Liebe vor der Pflicht kommt.
    Ludwigs sah sich um. Aisha winkte ihm zu. Ihre langen schwarzen Haare flatterten wie ein Schleier im

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