Nächte am Nil
zurück nach Deutschland. Ich habe keine Ambitionen, immer auf einer Bombe zu sitzen. Ich habe meine Forschungen in den Dienst des Fortschritts gestellt, aber nicht der politischen Machtkämpfe. Meine Herren, ganz hart: Können und wollen Sie mir helfen?«
»Wollen schon … aber können?« Brahms sah Ludwigs an. Du hast das Paket auf dem Gewissen, mein Junge, hieß dieser Blick. Nun wasch dich rein. Ludwigs verstand diese stumme Aufforderung und nickte.
»Ich will alle Möglichkeiten prüfen. Die erste Voraussetzung dazu ist, daß Sie Bir Assi verlassen, Brockmann.«
»Leicht gesagt.« Brockmann öffnete die erste Flasche Bier. General Assban sah in den Salon, winkte, rief »Prost!« und ging wieder hinaus zu den anderen Offizieren.
»Sie müssen sich bei mir Stahlproben ansehen«, schlug Ludwigs vor.
»Eher fliegt man sie hundertmal hin und her, als daß ich auch nur einen einzigen Schritt aus dieser verfluchten Oase machen darf.«
»Dann bleibt nur noch die Flucht«, sagte Brahms kühn.
»Durch die unbekannten Minengürtel? Und wohin fliehen? Die Wüste ist wie ein gelbgedeckter Tisch. Ein Hubschrauber wird uns sofort entdecken wie dunkle Krümel.«
»Wenn Sie nach Norden oder Osten fliehen.« Brahms nahm einen langen Schluck Bier und seufzte genußvoll. »Aber nach Westen, da kontrolliert keiner.«
»Im Westen beginnt die Sahara.«
»Eben. Siebenhundert Kilometer westlich von hier ist die libysche Grenze, mitten durch die Wüste. Unbewacht, weil dort kein Sandfloh hinüberwechselt.«
Die drei Männer schwiegen.
Siebenhundert Kilometer durch die glühende Wüste. Tagelang kein Brunnen, kein Strauch, kein Schatten. Eine Hitze von 55 Grad. Ein Sandwind, der den pulverfeinen Sand in jede Ritze bläst, in die Augen, in die Mundwinkel, in die Ohren. Siebenhundert Kilometer durch eine im wahrsten Sinne heiße Hölle, als einzige Begleiter vielleicht nur die Geier, die darauf warten, daß diese kleinen Menschen da unten in der Unendlichkeit aus Sand und Geröll zusammenbrechen und willkommenes Aas werden.
»Es ist der einzig mögliche Weg, Brockmann«, sagte Ludwigs leise. »Die Flucht in die Weite. Niemand wird glauben, daß Sie nach Westen gegangen sind, weil es absoluter Irrsinn ist. Man wird im Norden und Osten und auch im Süden suchen. Es gibt nur diese eine Chance.«
Alf Brockmann schwieg und trank in kleinen Schlucken das eiskalte, etwas bittere englische Bier.
Durch die Wüste, dachte er. So weit wie von Köln nach München nur durch Sand … Sand … Sand … unter glühender Sonne … Und wenn das Wasser ausgeht? Es gibt keinen fürchterlicheren Tod als Verdursten. Verhungern macht apathisch, aber Verdursten führt zum Wahnsinn.
»Ich werde es mir überlegen«, sagte Brockmann stockend. »Wie lange bleiben Sie in Bir Assi, meine Herren?«
»Das liegt ganz bei General Assban.«
»Haben Sie eine Wüstenkarte?«
»Ja.« Brahms nickte. »Aber was nutzt sie? Bir Assi ist zum Beispiel nicht drauf. Wüstenkarten sind fromme Märchen.«
Brockmann sah hinaus auf die Terrasse. Aisha winkte durch das Fenster.
»Die Herren werden ungeduldig.« Brockmann atmete tief auf. »Spielen wir den Gastgeber weiter. Ich hole Fräulein Hollerau, und dann wird gegessen. Und dabei wird Assban seine Rede halten.«
»Was feiern wir eigentlich?« fragte Brahms und hielt Brockmann fest.
»Meine neue Entdeckung. Eine besondere elektronische Flugsteuerung der Rakete.« Brockmann lächelte sauer.
»Und welche Rolle spielt dieses Mädchen da?« Ludwigs zeigte auf Aisha.
»Aisha? Sie ist meine Haushälterin –«
Mit schnellen Schritten ging Brockmann zu Lore ins Nebenzimmer. Ludwigs sah Brahms entgeistert an.
»Seine Haushälterin –«, sagte er gedehnt. »So kann man es auch nennen, wenn man seinen Tod liebt.«
*
In Abständen von vier Stunden legten zwei Passagierdampfer an der Hafenmole in Alexandria an. Zuerst die stolze, weiße ›Cesare‹ aus Italien, über die Toppen geschmückt mit bunten Fähnchen, umrauscht von Musik, ein Schiff der fröhlichen Menschen. Das andere Schiff mit Namen ›Fortuna‹ war etwas kleiner, billiger und dementsprechend weniger aufwendig in der Begrüßung Alexandrias. Hier spielte keine Bordkapelle, wenn auch einige bunte Fahnen wehten. Die Paß- und Zollbeamten kamen an Bord, kontrollierten und fanden nichts, was sie beanstanden konnten. Auch nicht den deutschen Paß der deutschen Passagierin Helga Sommer. Sie bewunderten nur die schönen blonden Haare, grüßten höflich, als
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