Nächte am Nil
irgendwie schämte er sich. Für einen Mann wie Zareb war das schon etwas Ungeheuerliches.
*
Der ›Große Rat‹ in der Zentrale hatte umdisponiert. Die Serie von Fehlschlägen war zu groß, um jetzt noch gewisse Rückschläge in Kauf zu nehmen. Die Agentin Aisha war abgesprungen. Der Beauftragte Hans Ludwigs gab keine Nachricht. Birgit Brockmann blieb nach dem Zusammenstoß vor dem deutschen Konsulat in Neapel weiterhin verschwunden. Aus sicheren ägyptischen Informationen wußte man, daß Alf Brockmann in Bir Assi die Konstruktionspläne für eine neue Langstreckenrakete fertig hatte und Spezialisten für elektronische Steuerungen in Rußland und England angeworben wurden. Der Wettlauf mit der Zeit schien verloren zu sein, es blieb nur noch die sofortige Aktion übrig.
Zuraida und ein Leutnant, Samuel Dobrah, wurden ausgewählt, als Touristen nach Ägypten zu fahren und auf jede mögliche Weise zu versuchen, Bir Assi zu erreichen.
»Ihr Auftrag ist klar«, sagte Oberst Shinnor, einer des ›Großen Rates‹, zu Zuraida. »Es ist uns nicht mehr daran gelegen, Herrn Brockmann zu uns herüberzuziehen. Die Dinge sind zu weit fortgeschritten. Es muß jetzt verhindert werden, daß er weiterarbeitet.«
Das war sehr höflich ausgedrückt. Zuraida nickte. »Ich verstehe, Oberst. Und Birgit?«
»Die Frau geht uns jetzt nichts mehr an. Sie soll nach Hause fahren können. Sie wird nur dann für uns wieder interessant, wenn sie auf eigene Faust versuchen sollte, nach Ägypten zu kommen. Aber das scheint mir nach Lage der Dinge nicht akut. Es zieht sie zu ihrem Kind, verständlich. Die Aktion Lübeck ist also hiermit beendet. Es geht jetzt nur noch um Alf Brockmann. Er ist für unser Land zur größten Gefahr geworden.« Oberst Shinnor sah Zuraida unter buschigen Augenbrauen lange und schweigsam an, ehe er weitersprach. »Wir können uns keinen Mißerfolg mehr leisten, Leutnant Zuraida«, sagte er dann langsam. »Wir sind jetzt in eine Lage gedrängt worden, wo Skrupel Selbstmord bedeuten. Wir verstehen uns?«
»Ja, Oberst.«
»Dann mit Gott! Ihre Ausrüstung bekommen Sie in Zimmer 19.«
Zuraida und Leutnant Dobrah grüßten militärisch und verließen das heiße Zimmer des Obersten.
Diese Unterredung fand in einem Haus auf der Insel Zypern statt. Es war eine Villa in einem großen Park und galt als Ruhesitz eines griechischen Millionärs.
Etwa um die gleiche Zeit standen sich in der Kaserne von Bir Assi der deutsche Handelsvertreter Hans Ludwigs und der ägyptische Abwehrspezialist Jussuf Ibn Darahn, alias Hauptmann Brahms, gegenüber. General Assban hatte angeordnet, daß der an der inneren Sperre aufgehaltene Ludwigs in den Kasernenbereich von Bir Assi gebracht werde und ließ Hauptmann Brahms zum Verhör einfliegen.
Nun saßen sich die beiden gegenüber. Sie waren allein im Zimmer, denn Brahms hatte alle anderen hinausgeschickt.
»Das ist ja eine schöne Scheiße, mein Lieber«, sagte Brahms und bot Ludwigs eine Zigarette an. »Jetzt muß ich dich hochgehen lassen.«
»Warum?« Ludwigs lächelte mit einer fatalen Sicherheit. »Ich bin hier, um Röhren auszumessen. Und du hast endlich erreicht, dieses Bir Assi zu sehen. Wir sollten uns gegenseitig gratulieren.«
»Und die versprochene Agentin?«
»Fällt ins Wasser. Sie ist zu hübsch.«
»Zum Kotzen ist das.« Brahms sprang auf. »Ich brauche einen Erfolg. General Assban sieht mich schon scheel an.«
»Wenn ich mich hier frei bewegen darf, sollst du deinen Erfolg haben, Josef.« Ludwigs streckte die Beine aus. »Es gibt hier in der Kaserne einen ägyptischen Soldaten, der Kontaktmann ist. Na, ist das was?«
»Ein kleiner Fisch. Ein Stichling. Ich brauche einen Hecht.«
»Abwarten. Sorge dafür, daß ich unverdächtig bin. Ich werde dann mit meiner Zentrale sprechen und dort erfahren, was sich Neues tut. Dann können wir weiter sehen.«
»Und wenn sich nichts tut?«
»Es bleibt der Soldat, und es bleibt uns immer noch die Entdeckung eines neuen Sprengstoffanschlages. Nichts ist leichter, als ein Bömbchen vor die Tür zu legen, und du entdeckst es. Aber, wie gesagt, Informationen aus der Zentrale sind mir wichtiger.«
Es dauerte bis zum Nachmittag, dann war Hans Ludwigs frei und konnte sich in Bir Assi bewegen, als gehöre er zum Forschungsteam. Er traf sich mit dem Soldaten Hassan Ben Alkir, kroch in den Stall des ›Cafés‹ und nahm die Verbindung zur Zentrale mit dem dort stehenden starken Kurzwellensender auf. Oberst Shinnor selbst meldete sich
Weitere Kostenlose Bücher