Nächte am Nil
erschossen zu werden.«
Brahms lächelte galant, während er Zuraida wie eine Geliebte, die eben mit dem Schiff zu Besuch gekommen ist, zu seinem Wagen führte.
»Wer wird von Erschießen reden, meine Beste?« sagte er und hielt ihr die Wagentür auf. »Sie erwarten immer das Schlechteste.«
Zuraida ließ sich in die Polster fallen und musterte Josef Brahms. Unter halbgesenkten Lidern sahen ihre großen, dunklen Augen ihn fragend an. Was will er? dachte sie dabei. Und wer ist er? Trotz seines Bartes, seiner braunen Haarfarbe und seines dialektfreien Arabisch ist er kein Morgenländer. Eben weil er so vollendet Ägypter ist, kann er keiner sein. Er könnte seinem Typ nach aus Ungarn kommen. Oder aus Armenien.
Brahms betrachtete Zuraida, wie sie zurückgelehnt im Wagen saß. Die langen, schlanken Beine waren übereinandergeschlagen. Sie saß da wie ein reiches, zufriedenes, vom Leben verwöhntes Luxusweibchen und wußte, daß mit dem Zufallen der Autotür auch ihr Leben beendet war.
Brahms kaute an der Unterlippe. Undenkbar, empfand er, daß man dieses herrliche Weib an einen Pfahl bindet, irgendwo in den Sanddünen außerhalb Kairos, ihr die Augen verbindet und ein Peloton ihren wundervollen Leib mit Kugeln durchlöchert.
Eine Mata Hari des Orients … Brahms war stolz, diesen Vergleich gefunden zu haben. Aber, so dachte er aber auch gleich weiter, die große Spionin Mata Hari war nicht nur eine berühmte Agentin, sondern eine noch berühmtere Geliebte. Ob in Zuraida auch diese Fähigkeit gefährlich lebender Frauen steckte? Wer sie ansah, wie sie mit halbgeschlossenen Augen und leicht geöffnetem, sinnlichen Mund im Wagen saß, mußte in allen Adern ein Kribbeln spüren, es sei denn, er war völlig verkalkt.
Zuraida hob den Kopf. Ihre Haare flatterten im Wind, der vom Hafen herüberwehte. Brahms ließ sich aufseufzend neben ihr hinter das Steuer sinken.
»Warum seufzen Sie?« fragte Zuraida. »Es ist nicht Ihre Brust, die die Kugeln auffangen wird.«
»Der Gedanke, daß es diese Brust sein wird, ist einen Seufzer wert.« Brahms sah auf Zuraidas Oberweite. »Warum haben Sie bloß solch einen windigen Beruf?«
»Warum haben Sie ihn ebenfalls?«
»Mir blieb keine Wahl.« Brahms ließ den Motor an. Zuraida beugte sich zu ihm. Er roch ihr etwas süßliches Parfüm, er spürte ihre Körpernähe wie die ausströmende Glut aus einem Backofen.
»Sie sind kein Ägypter?«
»Nein. Deutscher.«
»Ach.« Zuraida lehnte sich wieder zurück. »Überall Deutsche. Als Fanatiker sollte man sagen: Es wird langsam langweilig.«
»Stimmt. Sie jagen ja auch einen Landsmann von mir.« Brahms löste die Handbremse, aber er fuhr noch nicht an. Neben ihm war die Wagenkolonne mit seinen Leuten und dem verhafteten Leutnant Dobrah schon aus dem Hafenviertel hinausgefahren. Die letzten Passagiere hatten das Schiff verlassen, nun kamen die Schauerleute und luden die Kisten und Kartons aus. Auf dem Sonnendeck wurden bereits die Planken geschrubbt. Rein Schiff. In achtundvierzig Stunden schwamm man wieder auf dem Mittelmeer, zurück nach Genua.
»Wer hat uns eigentlich verraten?« fragte Zuraida und legte ihre schmale Hand auf Brahms' Arm. Eine Berührung wie mit dem Feuer.
»Das ist eine dumme Frage, Zuraida«, antwortete er heiser.
»Warum? Im Angesicht des Todes kann man ehrlich sein. Was Sie mir jetzt sagen, wird morgen oder übermorgen von den Kugeln des Erschießungskommandos zerfetzt werden.«
»Es ist unerquicklich, daran zu denken.« Brahms fuhr mit heulendem Motor an. »Wir sollten solche Gespräche auf einen winzigen Zeitpunkt beschränken … nämlich kurz vorher.«
Schweigsam fuhren sie durch die Straßen Alexandrias, kamen in einen Villenvorort und bogen in eine Sackstraße ein. Am Ende dieser Straße versperrte eine hohe, weiße Mauer den Weg. Hinter der Mauer lag ein breites Gebäude im Bungalowstil. Ein goldenes Schild an der mit einem herrlichen schmiedeeisernen Tor verzierten Einfahrt leuchtete in der Sonne.
Dr. Ahmed Zadusesi. Arzt.
Zuraida sah Brahms aus dem Augenwinkel an.
»Sie sind ein Hakim?«
»Nee.« Brahms lachte. Sie fuhren in einen palmengeschmückten Innenhof und wurden von zwei ägyptischen Milizsoldaten empfangen. »Jedes Ding muß einen Namen haben, meine Beste. Ein Hakim ist über alle Verdächtigungen erhaben. Darf ich bitten!«
In einem großen Zimmer, dessen breite Glastüren zu einem parkähnlichen Garten mit Wasserspielen hinausführten, begann Brahms entgegen seinen Gefühlen amtlich
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