Nächte am Nil
ein persönliches Risiko. Sie aber …« Er unterbrach sich, beugte sich vor und sprach leise weiter: »Sie werden mich niederschlagen und zu einem Freund flüchten, dessen Adresse ich Ihnen gleich gebe. Dort warten Sie auf mich. Versprechen Sie mir das?«
»Auf mein Ehrenwort«, sagte Zuraida mit plötzlich kleiner Stimme.
»Was gilt Ihr Ehrenwort, Zuraida?«
»Soviel wie meine frauliche Ehre.«
»Danke.« Brahms zog sie vom Sessel hoch, riß sie in seine Arme und küßte sie.
An diesem Tage geschah noch vieles.
Der große Polizeiapparat lief an. In Kairo, Alexandria und Port Said wurden die Hotels und Pensionen kontrolliert, wurden Schiffs- und Fluglisten durchgesehen, die Verkehrsbüros ausgefragt. Schließlich blieb übrig, daß in den letzten Tagen siebenundvierzig blonde Frauen, auf die die Beschreibung von Birgit Brockmann paßte, nach Ägypten gekommen waren. Sechsundvierzig Frauen waren unverdächtig: Sie reisten mit ihren Männern oder mit einer Reisegesellschaft. Nur eine einzige blonde Frau, die sich Helga Sommer nannte, hatte ein billiges Quartier gesucht und bekommen. Hier in Alexandria.
»Das ist sie!« schrie Brahms. »Wir haben sie, Zuraida. Da sage man noch, unsere Polizei kenne nichts anderes als die Bordelle. Birgit nennt sich Helga Sommer und wohnt hier in der Lockwood-Street bei einem Achmed Sibkir. Los, in den Wagen. Hin zu ihr. Jetzt läuft der Film. Mädchen, wenn du den cleveren Brahms nicht hättest.«
Aber sie kamen zu spät. Das Zimmer war leer. Achmed Sibkir beteuerte, daß er von gar nichts wisse. Die Lady habe bezahlt und sei dann weg … das Zimmer habe sie nur wenige Stunden bewohnt.
»Allah sei mein Zeuge!« rief er. »Ich will tot umfallen, meine Kinder sollen die Räude bekommen, meine Frau soll buckelig werden … ich sage die Wahrheit, Herr! Nicht einen Penny Trinkgeld hat sie gegeben!«
Brahms fuhr zurück in den Bungalow hinter der hohen Mauer und fluchte wie ein Stabsgefreiter.
»Wieder weg. Zum Kotzen ist das. Wie soll man jetzt im großen Ägypten eine einzelne Frau finden? Ohne Aufsehen. Denn wir brauchen sie ja, nicht die ägyptischen Behörden.«
»Behalten wir die Ruhe.« Zuraida streichelte Brahms über den Nacken. »Irgendwo taucht sie wieder auf. Man muß nur warten können.«
Am Abend wurde der israelische Leutnant Dobrah nach Kairo ins Gefängnis gebracht. Der Staatsanwalt der politischen Abteilung übernahm ihn. Das Schicksal Dobrahs war damit besiegelt. Ein großer Schauprozeß, eine Pressekampagne, eine Senke in der Sandwüste mit einem einsamen Pfahl darin. Und darüber ein glühender Himmel.
An diesem Abend aber fand man auch den Abwehrchef III, Jussuf Ibn Darahn, in seinem Zimmer mit einer klaffenden Stirnwunde. Er war besinnungslos. Seine Gefangene, die Agentin Zuraida, war entwichen. Mit einem silbernen Leuchter hatte sie Darahn niedergeschlagen.
Großalarm. General Assban flog selbst nach Alexandria und setzte sich neben Brahms ans Bett. Unter einem dicken Kopfverband sah Brahms mit einem verzerrten Lächeln den General an.
»So ein Aas«, sagte er schwach. »Haut mir den Leuchter über den Kopf. Und wie, General! Man kann wirklich bei praller Sonne Sterne sehen.«
»Sie wird nicht weit kommen.« General Assban legte auf die Decke einige Packungen Zigaretten und die neuesten Zeitungen. »Sehen Sie mal hier: Zuraidas Bild. Ganz Ägypten kennt sie jetzt. Selbst die Hunde werden sie anbellen, wenn sie irgendwo auftaucht.«
*
In Bir Assi wohnte Hans Ludwigs als Gast bei Alf Brockmann. General Assban hatte es selbst so angeregt.
»Sie müssen zusammenarbeiten, meine Herren, warum sollen Sie nicht auch unter einem Dach schlafen? Außerdem vertraue ich der deutschen Mentalität, Vertrauen durch Schweigsamkeit zu lohnen.«
»Er ist ein Idealist, dieser Assban«, sagte Ludwigs, als er mit Brockmann an einem der nächsten Abende auf der Terrasse saß. Aisha badete im Schwimmbecken, ein braunschillernder, märchenhafter Fisch. Lore Hollerau saß neben Alf, hörte das Plätschern und stellte sich vor, was sie nicht sehen konnte: Die Schönheit eines nackten Mädchenkörpers gegen das bleiche Licht des Wüstenmondes.
Seit sie wußte, daß sie blind bleiben würde, hatte sie in langen, qualvollen Nächten eine Hölle in sich überwunden: Die Eifersucht auf Aisha und das, obwohl sie spürte, wie sehr Alf Brockmann sich zu ihr hingezogen fühlte, seitdem der Tod seiner Frau den Weg zu ihr, Lore Hollerau freigegeben hatte. Oft saß er neben ihr und
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