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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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man mich ein? Was habe ich denn getan?« Fragen, auf die er immer wieder die Antwort erhielt:
    »Du weißt doch, daß du sehr krank warst. Warte nur ab, bald bist du wieder bei deiner Mami. Du mußt erst ganz gesund werden.«
    Der Tag kam schneller, als es Dr. Sikku zugelassen hätte, wenn er darauf einen Einfluß gehabt hätte. Das Telefon läutete bei Zareb, und fünf Minuten später erschien der Zwiebelimporteur im Zimmer der Krankenschwester.
    »Süße Huri aus dem siebten Paradies, du kannst gehen«, sagte er mit breitem Lächeln. »Was jetzt kommt, braucht nicht mehr deine zarten Hände.«
    »Ich spreche mit Ihnen nicht.« Die Krankenschwester wollte an Zareb vorbei das Zimmer verlassen, aber er hielt sie am Ärmel der gestreiften Bluse fest.
    »Nicht so hochmütig, mein Engel. Geh ans Telefon. Dort ist jemand, dem auch du gehorchen wirst.«
    Das Gespräch, das die Krankenschwester mit dem unbekannten Anrufer führte, dauerte fast eine Viertelstunde.
    Dann kam sie zurück. Ihr schönes Gesicht war bleich. Vor Zareb blieb sie stehen und sah ihn haßerfüllt an.
    »Gut. Ich gehe. Ich gehorche dem Befehl. Aber eines sag ich dir, Zareb: Wenn dem Jungen etwas geschieht, verkrieche dich auf den Mond. Mir ist dein Leben genausowenig wert, wie dir das Leben der anderen.«
    Zareb lachte rauh. Plötzlich griff er zu und kniff der Krankenschwester in die volle Brust. Eine schallende Ohrfeige warf ihn zurück an die Wand. Fassungslos starrte Zareb das Mädchen an. Fassungslos über die Kraft, die in ihren Armen steckte.
    Am Nachmittag, als Jörgi schlief, verließ sie das einsame Haus. Ein kleiner, weißer Wagen holte sie ab. Zareb stand am Fenster und sah ihm mit verkniffenen Lippen nach. Er kam sich irgendwie alt und müde vor. Da hat man vier Wochen mit einem Mädchen unter einem Dach gewohnt, Tür an Tür geschlafen, und nichts ist geschehen. O Allah, wo sind die früheren Zeiten hin, wo man Zimmertüren aufsprengte mit der Kraft der Schultern und die Mädchen an sich riß und ihren Widerstand brach? Wo sind die Zeiten hin, in denen der Name Zareb ein Gütezeichen für gefährliche Aufträge war? Jetzt war er nur mehr ein Wärter, eine männliche Kinderschwester, der seit Wochen keine andere Aufgabe hatte, als einen Jungen zu beschäftigen, mit ihm Mensch-ärgere-dich-nicht zu spielen und ihn bei leidlich guter Laune zu halten. Es war entehrend. Eine Herabwürdigung. Ein Kaltstellen des einstmals großen Zareb.
    Er wandte sich vom Fenster ab und ging zum Tisch zurück, um die Autokarte zu studieren. Sein neuer Auftrag beleidigte ihn. Er hieß unmißverständlich: Der Junge ist wieder in Freiheit zu setzen. Und zwar sofort.
    Freiheit, dachte Zareb. Das ist ein weiter Begriff. Ich werde den Jungen freilassen, aber es soll noch ein wenig Sensation um ihn sein, ein kleiner Paukenschlag, mit dem Zareb seinen Auftrag abschließt, der ihm zum Halse heraushängt.
    Wieder, wie damals bei der Entführung am Kanal, tränkte er einen Wattebausch mit Chloroform, ging in das Zimmer des Kindes und drückte ihn Jörgi gegen die Nase. Ein paarmal atmete der schlafende Junge tief durch, im Unterbewußtsein spürte er die Not, ersticken zu müssen, er schlug impulsiv mit Händen und Beinen um sich, aber dann, nach weiteren drei Atemzügen, erschlafften die Muskeln und er sank betäubt in die Kissen zurück.
    Zareb wickelte ihn in eine Decke, trug ihn in seinen Wagen und fuhr ab. Auf der Autobahn wandte er sich nach Süden, nach Hannover und Westfalen, und nicht, wie es angeordnet war, nach Lübeck. Unterwegs hielt er ein paarmal auf leeren Rastplätzen an und erneuerte die Chloroformnarkose bei Jörgi, wenn dieser sich bewegte und schwache Töne des Erwachens von sich gab.
    In der Nacht erreichte Zareb die Autobahnausfahrt Warendorf in Westfalen. Er fuhr sie hinunter und schlich mit seinem kleinen Wagen durch die Dunkelheit und über die verlassenen Landstraßen. Weite Wiesen und große Waldstücke wechselten ab, verstreut lagen die Bauernhöfe in der Nacht, von Mauern oder hohen Hecken umgeben wie wehrhafte, alte Burgen.
    Vor dem kleinen Ort Sassenberg hielt Zareb den Wagen an. Links von ihm zog sich ein ausgedehntes Waldstück hin, rechts lag, umgeben von Hecken und Weiden, ein kleines Gehöft.
    Hier ist es, sagte sich Zareb. Er stieg aus, zog Jörgi vom Rücksitz und trug ihn wie ein Bündel über der Schulter hinüber in den Wald. Dort legte er den Jungen mit der Decke in ein Gestrüpp aus Buchenheistern und Farnen, überzeugte sich

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