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Nächte am Nil

Nächte am Nil

Titel: Nächte am Nil Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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dieser gnadenlosen, kochenden Sandsuppe.
    »Das Essen ist fertig, Herr!« sagte Aisha laut vom Spirituskocher her.
    »Danke, Aisha.« Er setzte sich auf den abgeschnallten Sattel und senkte den Kopf. »Wenn du wüßtest, wie schön es wäre für mich, bei Sonnenaufgang nicht mehr aufzuwachen.«
    *
    Der Abstand zwischen Hassan und der kleinen Karawane der Flüchtenden betrug kaum sechs Stunden.
    Zweimal war er stundenweise auch nachts geritten, beseelt von seinem Haß, Alf Brockmann zu vernichten. Dieser Haß trieb ihn unaufhaltsam voran. Er ließ ihn am Tage die glühende Hitze vergessen, er brannte in ihm auch in der Nacht und ließ ihn die Kälte nicht spüren.
    Hassan war ein Sohn der Wüste. Er kannte alle Tricks genauso wie Aisha. So ließ er sich nicht täuschen von den verwischten Spuren und fand nach drei Stunden Kreuz-und-quer-Reitens die Andeutung eines durch den Sand geschleiften Gegenstandes. Der Sand der Wüste ist sonst durch den Wind leicht gewellt, wie die Oberfläche früherer Waschbretter. Hier aber zog sich ein Streifen glatten Sandes schnurgerade zum Horizont. Hassans Gesicht verzerrte sich zu einem grausamen Lächeln.
    »Ich hole euch ein«, sagte er leise, als er wieder auf sein Hedschaskamel stieg. »Ich bin allein und schneller als ihr.«
    Am dritten Tag wurde er unsicher. Soviel Vorsprung können sie nicht haben, dachte er. Sie können auch nicht schneller reiten als ich. Er hielt sein Kamel an und starrte zum Horizont, der in der Sonnenglut auf und ab zu tanzen schien.
    Sand. Nur Sand. Dreihundert, vierhundert Kilometer lang. Und dazwischen kein Brunnen, keine Wasserstelle, nicht einmal ein grüner Strauch. Nur gelber, toter Sand.
    Hassan schüttelte den Kopf. Weiter. Nicht umkehren.
    Sie müssen diesen Weg genommen haben. Es paßt zu Aisha, auch vor der Hölle keine Angst zu haben.
    Nach drei Stunden jubelte Hassan auf.
    Kamelspuren. Wie von einer Geisterhand in den Sand gedrückt, begannen sie plötzlich. Spuren von fünf Kamelen.
    Es war die Stelle, an der Aisha den Schleifteppich aufgerollt hatte, weil sie glaubte, ihn von jetzt ab nicht mehr nötig zu haben.
    Hassan beugte sich tief über den Hals seines weißen Kamels. Er klopfte das harte Fell und ließ seine braune Hand über die prustenden Nüstern gleiten.
    »Mein tapferer Liebling«, sagte er zärtlich. »Nun müssen wir schnell sein, hörst du? Es gibt keine Hitze mehr, es gibt keine Kälte mehr … wir kennen nur noch die Rache. Lauf, mein Liebling, lauf! Fliege wie das Lieblingskamel Mohammeds beim Kampf um Mekka.« Er richtete sich auf, ließ die Zügel los und schrie in die heiße Luft: »Heih! Heih! Allah sei bei uns!«
    Das Kamel warf die Beine durch den aufstäubenden Sand. Es sah wie Hassan die Spur, es roch die fünf Artgenossen, es witterte Gesellschaft, Geborgenheit, Sicherheit der Herde.
    Gegen Mittag des fünften Tages kam Hassan an die Stelle, wo Aisha das lahmende Kamel erschossen hatte. Er sah noch den blutgetränkten Sand, der Boden war in weitem Umkreis zerstampft, auch das Grab erkannte er und begann, mit einer kleinen Schaufel das verscharrte Kamel bloßzulegen. Hinter ihm schrie sein eigenes Reittier, der Verwesungsgeruch machte es scheu.
    »Es ist erst wenige Stunden tot, mein Liebling«, sagte Hassan zu seinem Hedschaskamel. »Sie haben nur noch einen kleinen Vorsprung. Morgen abend haben wir sie erreicht. Dann wird es keine Gnade geben, nicht wahr, mein Liebling?«
    Er schnallte einen Ledereimer vom Sattel, füllte ihn halb voll mit Wasser und gab es dem Kamel zu trinken. Ich verschenke Wasser, dachte er dabei. Das Glücksgefühl erfüllten Hasses durchströmte ihn. Ich brauch nicht mehr zu sparen. Vor mir sind vier gut ausgerüstete Kamele … sie werden ausreichen, einen einzigen Menschen wieder zurück nach Bir Assi zu bringen. Denn nur ein Mensch wird übrigbleiben. Und dieser eine bin ich, Hassan Ben Alkir.
    Und plötzlich sang er, trotz Hitze und Flugsand.
    Er war fast wahnsinnig vor Mordlust.
    *
    Jörgi lief wieder herum. Zwar noch sehr langsam und auf unsicheren Beinchen, aber er hatte die schwere Operation gut überstanden, die Operationswunde heilte zufriedenstellend, die noch immer zu seiner Pflege anwesende Krankenschwester kochte ihm eine kräftigende Kost und verhinderte, daß Jörgi mehr als unbedingt nötig mit Zareb in Berührung kam.
    Immer wieder fragte Jörgi in diesen Tagen: »Wann kann ich zu meiner Mami zurück? Warum kommt mich die Omi nicht abholen? Warum bin ich hier? Warum sperrt

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