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Naechte am Rande der inneren Stadt

Titel: Naechte am Rande der inneren Stadt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tanja Langer
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durfte ich in meinem ganzen Leben nur Eva. Eva fand es schön. Eva würde mir die zwanzigjährigen Jungen auf der Straße
     zeigen und sagen: Guck mal, wie weich ihr Haar in die Stirn fällt, und wie sie sich bewegen. Sie war in solchen Dingen von
     einer bezaubernden Entschiedenheit.
    Mein eigener Vater war keine müde alte Socke. Er ist nur zu früh gestorben.
     
    |35| Plötzlich muss ich wieder an Evas ersten Besuch bei mir denken, als ich ihr mein Zimmer im Souterrain zeigte. Mir kommt es
     so vor, als hätte ich mich damals gefragt, ob Eva es darauf angelegt hatte, mich vor Großvater in Verlegenheit zu bringen,
     als sie mich auf dem Sofa verführte. Aber vielleicht bringe ich etwas durcheinander; ich weiß nur, dass ich auf ihre Verzweiflung
     reagiert habe, ich hatte gar nicht
gedacht
. Ich glaube, Robert war es, der mich irgendwann auf solche Ideen brachte, als er längst eifersüchtig war und ich es noch
     nicht kapiert hatte. Immerzu redete er davon, dass es zwischen zwei Menschen darum gehe, wer der stärkere sei.
     
    Ich hatte Robert natürlich nicht verschweigen können, dass ich mich verliebt hatte.
    Du machst dich rar, sagte er, ist es ein Mädchen?
    Er wollte sie kennenlernen; ich zögerte es hinaus. Ich wollte Eva für mich allein haben. Aber ich erzählte ihr von meinem
     alten Schulfreund. Sie zog die Augenbrauen hoch und sah mich belustigt an.
    Soso, er schreibt Gedichte? Muss ja ein toller Typ sein.
    Sie nahm mich an die Hand und zog mich an sich.
    Wir können ihn später treffen, sagte sie, wir brauchen keine anderen Leute.
     
    Eva brauchte sehr wohl andere Leute, nur nicht meine. Sie hatte einiges vom Semester aufzuholen; dazu gehörte auch, dass sie
     mit anderen zusammen Referate vorbereitete und am Abend noch mit ihrem Seminar über zeitgenössische Kunst Ateliers von jungen
     Künstlern besuchte.
    Ich vermisse dich, wenn du so oft weg bist, sagte ich.
    Komm doch mit, sagte sie, ich nehme dich einfach mit.
    Auf diese Weise lernte ich eine ganz neue Welt kennen. Ich fühlte mich dort fremd, in den mit Papier ausgelegten, oft ungeheizten
     Räumen, in denen Tee auf einem Gasbrenner gekocht und leere Bierflaschen gesammelt wurden. Wir hockten |36| auf dem Boden zwischen Farbtöpfen, Terpentindosen, Spritzpistolen und Pinseln, und ich wurde das Gefühl nie los, dass die
     anderen über meinen Anzug und meine Hemden lachten. Alle anderen trugen Jeans und T-Shirts , die Mädchen waren ähnlich bunt gekleidet wie Eva, wenn sie nicht gerade meine Sachen angezogen hatte. Es gab bei den Kunsthistorikerinnen
     auch junge Frauen, die wie viele Jurastudentinnen Perlenohrringe und Twinsets zu karierten Röcken trugen, aber solche interessierten
     sich nicht für ihre Zeitgenossen, sondern befassten sich mit dem achtzehnten oder neunzehnten Jahrhundert, sagte Eva. Die
     warten nur auf einen Mann, fügte sie hinzu.
    Ich fragte mich, ob Eva mich vorführen wollte; aber sie war viel zu begeistert von allem, als dass ich ihr so etwas wirklich
     unterstellen mochte. Es war mein eigenes Problem. Eva pfiff auf das, was die anderen dachten, sonst hätte sie sich nämlich
     mit so einem wie mir geschämt. Sie hatte gar keinen Sinn für diese Art der sozialen Scham; sie hätte mich vermutlich nur verwundert
     angesehen, hätte ich es angedeutet. Ich wusste, dass die anderen es mit ihren Liebesbeziehungen ziemlich locker hielten. Sie
     stellten es nicht gerade aus, aber Eva erzählte mir von den wechselnden Verhältnissen. Mir wurde jedes Mal mulmig dabei.
Bleu-mourant
, oder wie der Berliner sagt,
plümerant
. Im Grunde wartete ich immer darauf, dass Eva mich um irgendetwas bitten würde, das ich nicht wollte und das ich ihr zuliebe
     trotzdem tun würde.
    Einer der Künstler, ein Typ mit schlechten Zähnen und langen Haaren, der riesige abstrakte Bilder malte, küsste Eva auf den
     Mund, als wir hinkamen, vor allen anderen, und er zog sie auf seinen Schoß, als wären sie ein Liebespaar, und grinste mich
     dabei unverschämt an.
    Was hattest du mit ihm? fragte ich sie leise.
    Das Übliche, antwortete sie lachend, Modelle braucht er ja wohl keine!
    Theo Hölt hieß er. Hölt erlebte gerade seinen Durchbruch |37| auf dem Markt. Er schmiss das Geld, das er für seine Bilder bekam, mit vollen Händen aus dem Fenster. Es gab Haschisch und
     Koks, es gab Champagner und Kaviar; und dann gab es Tee und Bier und billigen Käse, oder gar nichts. Es gab ununterbrochen
     Gespräche, Gelächter und am Ende auch Gelalle,

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