Naechte der Leidenschaft
Frage so gleichmütig wie möglich zu stellen, wusste aber, dass ein Hauch von Drohung in ihrer Stimme mitschwang. Bertrand schien es jedoch nicht zu bemerken.
»Kanzler Arundel wird sich darum kümmern.«
Emma verschluckte sich fast an dem Apfelstück. »Der Erzbischof?«
»Ja. Er ist ein Freund von Mutter. Er hat vor, ihn zu vergiften. Noch während er am Königshof weilt. Höchstwahrscheinlich ist ihm das bereits gelungen. Wir sollten bald Nachricht bekommen. Dann können wir heiraten.« Er lächelte, als er das sagte, dann seufzte er. »Ich sollte jetzt gehen, ehe Mutter merkt, dass ich nicht in meinem Bett bin. Sie wäre nicht sehr erfreut, dass ich Euch besuche. Sie hat befohlen, dass heute Abend niemand mehr zu Euch darf.« Er stand auf, beugte sich zu Emma, als wollte er sie mit einem Kuss beehren, und sah dann das letzte der Tücher neben ihr auf dem Bett liegen. Mit einem gequälten Lächeln auf dem Gesicht zuckte er zurück. »Wir werden noch einen Tag oder zwei warten müssen, um die Ehe vollziehen zu können. Dafür wird unsere Hochzeitsnacht umso berauschender sein.«
Emma gelang es nur mit Mühe, keine Grimasse zu schneiden, bis die Tür sich hinter ihm geschlossen hatte. Sie ließ den angebissenen Apfel auf das Bett fallen und zog den Strick hervor. Bei der letzten Information, die Bertrand ihr hatte zukommen lassen, war ihr der Appetit gänzlich vergangen. Allein schon der Gedanke, dass ihr Mann tot sein könnte, reichte aus, ihren Magen vor Angst rebellieren zu lassen. Entschlossen, jetzt nicht daran zu denken, verknotete sie das letzte Tuch mit dem Ende des Seils, dann stand sie auf und trug es zum Fenster.
Draußen war es jetzt stockdunkel. Sie konnte nicht mehr erkennen, wo die Mauer endete und der Boden begann. Draußen vor dem Fenster schien sich ein Abgrund unter ihr aufzutun.
Mit einem Schaudern wandte sie sich ab und holte die Bettlaken, um auch diese noch an ihren Strick zu knoten. Geschwind überprüfte sie noch einmal jeden Knoten, den sie geknüpft hatte, auf seine Festigkeit. Danach richtete Emma sich auf, atmete tief durch, um ihren Mut zu sammeln, und band das Ende des provisorischen Strickes um den Bettpfosten, ehe sie zum Fenster zurückging und sich hinausbeugte. Sie spähte zu den Wachtposten hinüber. Die Männer waren damit beschäftigt, sich über die sie trennende Distanz hinweg etwas zuzurufen. Emma wartete einen Augenblick. Als die Männer sich weiterhin unterhielten, zuckte Emma mit den Schultern, und ließ das Seil aus dem Fenster fallen. Es war kein lautes Geräusch, trotzdem schaute sie nervös zu den Wächtern hinüber. Sie schienen nichts gehört zu haben.
Sie wartete noch einen Augenblick ab, um ganz sicher zu sein, dann setzte sie sich auf den Fenstersims. Es bestand die Möglichkeit, dass einer der Männer herüberschauen und in der Dunkelheit ihr helles Kleid erkennen könnte. Es war eine Möglichkeit, über die Emma nachgedacht hatte, während sie das Seil geknüpft hatte. Sie hatte sich sagen müssen, dass sie daran nichts würde ändern können. Es war eine schreckliche Schande, dass sie kein dunkles Kleid trug, aber Amaury hatte darauf bestanden, dass er sie nie wieder in einer Farbe zu sehen wünschte, die auch nur im Entferntesten Schwarz ähnelte. Bei der ersten Gelegenheit, die sich mir bieten wird, schicke ich ihn dafür in die Hölle, dachte sie jetzt und weigerte sich, darüber nachzudenken, dass er inzwischen schon tot sein könnte. Es durfte einfach nicht sein. Er konnte sie einfach nicht zur Witwe machen. Und das nicht nur, weil sie Bertrand nicht heiraten wollte. Sie wollte verdammt sein, wenn sie sich nicht daran gewöhnt hatte, ihren Ehemann um sich zu haben. Mehr noch, sie gewöhnte sich inzwischen sogar an den Gedanken, diesen großen Tollpatsch zu lieben. Wahrlich, ihre Knie wurden schwach, wann immer er sie berührte, und sein Lächeln schien den Morgen irgendwie strahlender zu machen. Es wäre eine graue Welt ohne ihn.
Ihre Gedanken schafften es, sie von dem abzulenken, was sie tat. Sie rutschte bis an den Rand des Simses und machte sich bereit, sich an ihrem Seil hinunterzulassen. Ein rascher Blick zur Seite zeigte ihr, dass bis jetzt niemand etwas bemerkt hatte. Einen Moment lang zögerte sie noch mit dem Abstieg. Was würde sie tun, wenn man sie entdeckte? Vielleicht konnte sie sich dann von der Mauer abstoßen und sich in den Graben fallen lassen und darauf hoffen, dort wieder heraus und in die
Wälder geflohen zu sein, ehe ihre
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