Naechte der Leidenschaft
spürte, stieß sie sich kräftig ab, doch sie schaffte es nur knapp, bis an die Oberfläche zu kommen. Die faulige Luft reizte sie zum Keuchen, ehe das Gewicht ihrer Röcke sie wieder unter Wasser zog.
Emma strampelte mit den Beinen und versuchte, irgendwie die Oberfläche zu erreichen, doch es war unmöglich. Ihre Lungen begannen vor Luftmangel zu brennen, und verzweifelt zerrte Emma an ihrem Kleid. Sie riss es sich herunter, so weit es ging, und endlich gelang es ihr, sich wieder emporzukämpfen. So faulig die Luft auch war, Emma sog sie tief ein. Für sie war es wie der liebliche Duft von Rosen.
Vor Anstrengung keuchend, kämpfte sich Emma durch den stinkenden Morast zum Grabenrand vor. In jeder Sekunde war sie sich dabei der Rufe bewusst, die über ihr hin- und herklangen, als die Wachen auf der Mauer versuchten, sie in der Dunkelheit zu erspähen. Sie hörte auch das Rasseln der Ketten, als die Zugbrücke heruntergelassen wurde.
Emma hatte den Rand des Grabens fast erreicht, als sie spürte, das etwas ihr Bein streifte. Schreckliche Bilder von dem, was es sein könnte, was da - lebendig oder sogar tot - im Graben herumschwamm, zerbarsten in ihrem Kopf. Verzweifelt klammerte sie sich an ein paar Grasbüscheln fest und zog ihren zitternden Körper aus dem Wasser auf festen Boden. Sich mühsam auf die Füße aufrappelnd, warf sie einen kurzen Blick über die Schulter. Die Wachen der Burg kamen über die Zugbrücke gelaufen, direkt auf sie zu. Emma nahm ihre letzte Kraft zusammen und rannte auf den Wald zu.
Sie hatte den Waldrand fast erreicht, als eine unüberwindbare Mauer aus Männern zwischen den Bäumen auftauchte und ihr den Weg versperrte. Emma blieb verblüfft sehen, dann wandte sie sich zur Seite, um davonzulaufen.
»Emmalene!«
Sie erstarrte, als sie die Stimme hörte. Dann fuhr sie herum und schaute in die Richtung, aus der der Ruf gekommen war. Doch sie sah nur die dunklen Umrisse der Männer. Bis einer von ihnen vortrat. Er war von gleicher Gestalt wie ihr Mann und sie wollte am liebsten glauben, dass er es war, aber es war so dunkel... Irgendjemand zündete eine Fackel an und hielt sie hoch. Die Wachen, die Emma verfolgt hatten, blieben verwirrt stehen. Der Mann mit der Fackel war Blake. Neben ihm stand Amaury, und neben diesem sah sie den König. Zu beiden Seiten von ihnen stand eine Kette von Soldaten, die endlos lang zu sein schien.
Schluchzend vor Erleichterung rannte Emma los und warf sich Amaury in die Arme.
Instinktiv breitete Amaury die Arme aus, um seine kleine Frau aufzufangen und an sein Herz zu drücken. Noch nie in seinem Leben war er so erleichtert gewesen, wie in dem Augenblick, als er sie am Turmfenster gesehen hatte. Die Soldaten, die ihnen den ganzen Tag gefolgt waren, waren gerade zur ihrer Unterstützung eingetroffen, als Emma dort oben aufgetaucht war. Sie alle hatten schweigend dagestanden und zum Turm hinüber gestarrt. Er hatte im Kerzenschein ihr goldfarbenes Kleid erkannt, und seine Erleichterung darüber, sie am Leben zu wissen, war so groß, dass ihm die Beine nachzugeben drohten.
Und dann war Emma aus diesem Fenster gesprungen und ihm war fast das Herz stehen geblieben. Als ihr Sprung fast unmittelbar darauf abgefangen wurde, hatte er gesehen, dass sie an einem Seil hing. In dieser Sekunde hatten seine Beine unter ihm nachgegeben. Nur weil Blake und der König ihn schnell genug an den Armen gepackt hatten, war er auf den Füßen geblieben. Die folgenden Minuten waren die reine Hölle gewesen. Sie hatten Emmas Abstieg beobachtet, Zentimeter um Zentimeter auf den Abgrund zu. Sie alle, bis auf den letzten Mann, hatten den Atem angehalten, als sie zugesehen hatten, wie seine Frau das vollbrachte, was sich nur wenige von ihnen selbst getraut hätten. Und sie alle waren sich, hier am Rand des Waldes, völlig hilflos vorgekommen.
Der kalte Schweiß hatte auf Amaurys Stirn gestanden und seine Hände hatten vom Ballen der Fäuste geschmerzt, als Emma wenig mehr als die Hälfte des Abstiegs bewältigt hatte. Plötzlich hatte sie innegehalten, und er hatte sofort gewusst, dass sich unerwartet ein Problem ergeben hatte. Doch keiner von ihnen war auf Emmas plötzlichen Sprung in den Burggraben vorbereitet gewesen. Wie erstarrt hatten sie dagestanden und auf den Graben geschaut. Dann war sie aus dem Wasser gestiegen und über die freie Fläche gelaufen, als ob nichts ge-schehen sei. Zuerst hatte sie direkt auf sie zugehalten, als hätte sie gewusst, dass er da war. Doch als
Weitere Kostenlose Bücher