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Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut

Titel: Naechte der Leidenschaft + Berlins Blut
Autoren: Ivy Anderson
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erst gewahrte der Offizier die Säcke mit den Sachen und ließ diese ausschütten. Es befanden sich auch solche tschechischer Soldaten und Offiziere darunter.
    „Plündererpack! Wir haben unterwegs Kameraden gefunden, deren Kehle durchgeschnitten war! Ihr wart das und habt sie bestohlen!“ Sein Kopf wurde feuerrot.
    Er wies mit einer zackigen Handbewegung auf einige seiner Soldaten.
    „Schaut mal, ob sie Messer bei sich haben!“
    Vier Tschechen sprangen eiligst vor und untersuchten die Taschen der drei. Natürlich fanden sie die blutigen Messer.
    Der Offizier verzog angewidert sein Gesicht.
    „Bestien! Krankes Gesindel!“ Mit gleichmütigem Gesicht machte der Übersetzer seine Arbeit weiter und übertrug jedes Wort.
    „Habt ihr noch etwas zu sagen?“
    „Wir waren das nicht! Das stammt von einem Reh, das wir gehäutet haben!“, log der Anführer frech. Er sah darin seine letzte Chance.
    „Die Zigarre hat sie sich auch selbst rein gesteckt?“, höhnte der Offizier und schaute mich fragend an.
    „Waren die drei das gewesen?“, übersetzte der Dolmetscher ins Russische.
    Ich nickte.
    „Hexe!“, schrien die drei Banditen im Angesicht ihres Todes.
    „Das ist eine Waldhexe!“
    Der Übersetzer verschwieg diese Beschuldigung. Der abergläubische Vorwurf erschien ihm als gebildeter Europäer zu lächerlich.
    Der junge Offizier wies auf mich.
    „Nimm dir etwas zum Anziehen aus den Sachen und verschwinde! Danke Gott, dass wir dich gerade noch rechtzeitig gefunden haben. Wer weiß, was die noch für Dinge mit dir angestellt hätten.“
    Ich griff mir eiligst ein Hemd aus den Sachen. Noch immer war der unselige Stock im Mund. Der Knoten hinter dem Kopf ging nicht auf und war sehr fest. Es dürfte ein skurriler Anblick gewesen sein.
    „Gib ihr ein Kontrolldokument!“, befahl er dem Übersetzer. Dieser holte einen Schein hervor.
    „Kannst du schreiben, Bäuerin?“
    Ich nickte mit dem Holz.
    „Dann setz später deinen Namen selbst ein. Damit kannst du dich im befreiten Gebiet bewegen.“
    Er wandte sich von mir ab.
    „Wir kümmern uns jetzt um dieses Mordgesindel. Lauf schnell weit fort!“
    Endlich schaffte ich es, den Knoten zu lösen und den Stock aus dem Mund zu entfernen. Der Offizier sah mich kurz mitleidsvoll an.
    „Danke“, murmelte ich die Augen zukneifend. Die Sonne war unerträglich.
    Der Offizier errötete leicht, sah aber nicht mehr zu mir hin. Ihm war die gesamte Angelegenheit sichtlich peinlich.
    Nach einigen Schritten zog ich die heruntergebrannte Zigarre aus meinem Poloch, warf sie fort und eilte davon. Unterwegs streifte ich das Hemd über. Es war zum Glück recht lang.
    Diesmal war das Schicksal mir noch einmal im letzten Moment hold gewesen. Selbst ein Vampir sollte niemals, auch nur eine Sekunde, unachtsam sein. Hinter mir hörte ich das ängstliche Gebettel der drei Gefangenen. Ihr baldiger Tod erfüllte mich mit tiefer Freude.

Wieder in Jekaterinburg

    Ich suchte mir in den nahe gelegenen Bergen eine einfache, abgelegene Höhle als Unterschlupf. Ein Köhler musste hier vor langer Zeit gehaust haben. Mein Lager lag so, dass man es nur durch Zufall entdecken konnte.
    Die nächste Zeit nutzte ich, um mich mit meinen Fähigkeiten vertraut zu machen und die neue Situation zu durchdenken. Alle Wunden heilten schnell. Nicht einmal Narben blieben zurück. Der Verlauf hing jedoch von verschiedenen Faktoren ab und war langsamer, als in den bekannten Gruselgeschichten dargestellt.
    Hätte man mich damals unter der Sprengladung im Schacht Ganina Jama begraben oder im Koptyaki-Wald verbrannt, wäre mein Vampirdasein tatsächlich beendet worden. Auch ein Schuss ins Herz oder in den Kopf könnte mich wohl töten. Ich musste also auf der Hut und sehr vorsichtig sein.
    Es war Sommer und das Licht setzte mir sehr zu. Die Haut verbrannte zwar nicht durch die Strahlen der Sonne, aber ich war durch deren Helligkeit tagsüber fast blind. Die Augen schmerzten und es entwickelte sich mit der Zeit ein höllischer Kopfschmerz. Eine Sonnenbrille war das, was ich im Moment am meisten benötigte. Dieses Hilfsmittel war schwer zu beschaffen und nur in Jekaterinburg zu bekommen. Zudem wollte ich die elf Rotgardisten verfolgen, die meine Familie getötet hatten. Dort konnte man ihre Spur aufnehmen.
    In der Nacht vermochte ich dagegen außerordentlich scharf und kontrastreich zu sehen. Das Farbempfinden hatte sich etwas verändert. Die neue Welt wirkte nun so ausdrucksvoll wie auf farbenprächtigen Gemälden. Ich
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