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Nächte im Zirkus

Nächte im Zirkus

Titel: Nächte im Zirkus Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Angela Carter
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Moment, wo du mich gesehen hast, hast du mich zu einem abhängigen Wesen gemacht, mich als deine Tochter versklavt, mich, die ich als niemandes Tochter geboren bin -«
    Doch hier hielt sie inne, denn die Vorstellung, daß Niemandes Tochter durch das Nirgendwo in die Richtung des Nichts ging, rief solchen Schwindel in ihr hervor, daß sie stehenbleiben mußte und ein paar tiefe Atemzüge nahm, die ihre Lungen kalt versengten. Überwältigt von dem Kummer über die Leere, die uns umgibt, hätte sie weinen mögen und hielt sich nur zurück, um ihrer Ziehmutter nicht die Befriedigung ihrer Tränen zu gönnen.
    »Nun, nun«, sagte Lizzie etwas sanfter, als sie aus dem Augenwinkel den Schmerz ihrer Gefährtin sah. »Ich gönne dir ja meine Gesellschaft, mein Liebling. Wir müssen uns alle mit den Fetzen von Liebe behelfen, die wir an der Vogelscheuche der menschlichen Existenz flattern finden.«
    Doch diese Vorstellung erfüllte Fevvers mit noch tieferer Melancholie. Sie wollte mehr vom Leben als dies! Außerdem kam sie sich selbst im Augenblick wie eine Vogelscheuche vor. Sie zog die Schultern elend und traurig nach oben.
    »Aber mein liebes Kind«, fuhr Lizzie fort, ohne Fevvers’ gähnendes Schweigen zu bemerken, »Liebe ist eines und Verliebtsein was anderes. Ist dir nicht aufgefallen, daß böses Blut zwischen uns ist seit Mister Walser aufgetaucht ist? Das Unglück hat uns verfolgt, seit du ihn zuerst gesehen hast. Du bist nur noch dein eigener Schatten, bist nur noch halb! Schau dich selber an! Deine Waffe im Haus des Großherzogs verloren. Dann den Flügel gebrochen. Zufälle? Zuviele Zufälle nacheinander, als daß es ganz zufällig sein könnte. Jeder kleine Zufall hat dich einen Schritt weiter geführt auf dem Weg, der von deiner Einzigartigkeit fortführt. Du bleichst aus und verwischst dich, als ob es nur immer bloß die Disziplin des Auftritts vor dem Publikum gewesen wäre, die dich in Schuß gehalten hat. Du bist ja kaum mehr eine Blondine.
    Und wenn du den jungen Amerikaner findest, was zum Teufel willst du dann tun? Weißt du nicht, wie die alten Komödien von getrennten Liebenden, überstandenem Unglück, Abenteuern unter Banditen und wilden Stämmen enden? Das Sichwiederfinden der treuen Liebenden endet stets mit der Heirat.«
    Fevvers blieb stehen.
    »Was?« sagte sie.
    »Orlando nimmt seine Rosalinde. Sie sagt: ›Euch Übergeb ich mich, denn ich bin Euer.‹ Und das«, fügte sie hinzu (ein Tiefschlag), »gilt auch für das Bankkonto der Frau.«
    »Aber es ist nicht möglich, daß ich mich jemandem gebe«, sagte Fevvers. Ihre Diktion war überaus sorgfältig. »Mein Sein, mein Ich-Sein, ist einzig und unteilbar. Den Gebrauch meiner selbst zum Vergnügen anderer zu verkaufen, ist etwas anderes, ebenso wie ich mich vielleicht freiwillig anbieten könnte, aus Dankbarkeit und in der Erwartung von Lust - und Lust ist ausschließlich das, was ich von dem jungen Amerikaner erwarte. Aber mein eigenes Wesen kann nicht gegeben oder genommen werden, was wäre dann noch übrig von mir?«
    »Genau«, sagte Lizzie mit trauriger Befriedigung.
    »Außerdem«, fuhr Fevvers eifrig fort, »hier sind wir weit weg von Kirchen und Priestern, wer wird hier von Ehe reden...«
    »Ach, ich glaube doch, daß du feststellen wirst, daß diese Waldbewohner, unter denen dein junger Mann Zuflucht gefunden hat, sich an der heiligen Institution der Ehe genauso enthusiastisch festklammern wie andere Männer, wenn sie sie auch anders feiern mögen. Je härter der Vertrag ist, den die Menschen mit der Natur schließen müssen, um zu überleben, desto mehr Regeln haben sie untereinander, damit alles in Ordnung bleibt. Sie werden hier auch Kirchen haben und Pfarrer, wenn auch die Pfarrer recht bizarre Talare haben mögen und unerhörte Sakramente zelebrieren.«
    »Ich werde ihn entführen. Wir brennen zusammen durch!«
    »Wenn er nun nicht mitkommen will?«
    »Du bist eifersüchtig!«
    »Ich hätte nie gedacht«, sagte Lizzie steif, »daß ich meiner Lebtag mein Mädchen so etwas sagen hören würde.«
    Beschämt ging Fevvers etwas langsamer. Sie wandte Lizzies Worte in Gedanken hin und her.
    »Heiraten!« rief sie.
    »Der Prinz, der die Prinzessin aus der Drachenhöhle befreit, ist stets gezwungen, sie zu heiraten, ob sie einander sympathisch sind oder nicht. So ist es Brauch. Und ich nehme an, dieser Brauch wird zweifellos auch für die Trapezkünstlerin gelten, die den Clown befreit. Der Name des Brauchs ist ›Happy

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