Nächte in Babylon
nicht. Sie muss sich beschützen lassen. Die Gründe können Ihnen doch egal sein. Hauptsache, Sie sorgen dafür, dass ihr nichts passiert. Das ist schließlich Ihr Beruf. Wenn es Ihnen dann auch noch gelingt, sich nicht von ihr um den Finger wickeln zu lassen, umso besser. Ich bin schon sehr gespannt, ob Sie es schaffen.«
»Danke für die Warnung. Dann passe ich also besser auf, dass ich spätestens bei drei auf dem Baum bin.«
»Nicht lachen, aber da ist tatsächlich etwas Wahres dran. Die Männer stehen auf Anna, und Anna steht auf Männer. Das müssen Sie echt gesehen haben.«
Als sie zum Pool kamen, zog Anna immer noch ihre Bahnen. Drei, vier Mal kraulte sie elegant an ihnen vorbei. Eine überaus gelungene Show. Wie eine Schauspielerin, die eine Olympiaschwimmerin mimt, entstieg sie schließlich dem Wasser. Der einteilige schwarze Badeanzug ließ der Fantasie nicht viel zu wünschen übrig. Sie warf den Kopf in den Nacken, wölbte ihre Frontpartie leicht nach vorn, hob die Arme und drückte sich das Nass aus dem honigblonden Haar. Spandau war durchaus empfänglich für ihre kunstvolle Darbietung, auch wenn ihm vor Verzückung nicht gleich die Sinne schwanden. Darauf hatte sie es wohl auch nicht angelegt, aber man merkte ihr an, dass sie gern von Anfang an klarstellen wollte, nach wessen Pfeife hier getanzt wurde.
»Würden Sie mir bitte das Handtuch reichen?«, fragte sie. Pam seufzte stumm und verdrehte die Augen. Aufreizend langsam rieb Anna sich trocken, als ob sie soeben splitternackt aus der Dusche getreten wäre. Spandau sah ihr zu und harrte der Dinge, die da kommen würden. Sie setzte eine Sonnenbrille auf, drapierte sich auf einem Liegestuhl und tat so, als ob sie gen Himmel blickte.
»Pammy? Könnte Bettina uns vielleicht Kaffee und Sandwiches im Garten servieren?«
»Ich kümmere mich darum«, antwortete ihre Schwester. »Wird sofort erledigt. Und möchten Madame, dass ich die sommerlichen Dessous herauslege, oder soll es doch lieber die Flanellunterwäsche sein?«
Pam drehte sich um und ging. Anna gab vor, ihren Kommentar nicht gehört zu haben. Sie lag da wie hingegossen. Zäh schleppten sich die Sekunden dahin. Spandau betrachtete die Berge und die Bäume hinter dem Haus. Er hatte keine Lust, das Schweigen zu brechen, obwohl er wusste, dass sie darauf wartete. Schließlich sagte sie:
»Pam ist meine Schwester.«
»Die Ähnlichkeit ist nicht zu übersehen.«
»Manchmal würde ich ihr am liebsten den Hals umdrehen.«
»Ja«, sagte Spandau. »Verwandte können fast so lästig sein wie Dienstboten.«
»Na, so was, Mr. Spandau. Sie haben ja einen trockenen Humor.«
»Ja, Ma’am. Eine Portion trockener Humor und tadellose Tischmanieren gehören in meinem Beruf zum Rüstzeug.«
Sie fixierte ihn über den Rand der Sonnenbrille hinweg. »Wollen Sie mich auf den Arm nehmen, Mr. Spandau?«
»Nichts läge mir ferner, Ma’am. Das wäre ein unverzeihlicher Mangel an professioneller Demut.«
»Sie und Pam würden ein Traumpaar abgeben. Kein Wunder, dass sie Sie engagieren will. Die Frage ist bloß, will ich das auch?«
»Diese Frage können nur Sie allein beantworten.«
»Das Letzte, was ich gebrauchen kann, ist jemand, der mir auf Schritt und Tritt an den Hacken klebt. Meine Privatsphäre ist auch so schon kaum noch vorhanden.«
»Wir halten uns nach Möglichkeit immer unauffällig im Hintergrund.«
Sie musterte ihn von oben bis unten. »Was im konkreten Fall heißt, so unauffällig wie ein Wasserbüffel. Herzchen, irgendeiner muss es Ihnen mal verraten: Sie sind nicht zu übersehen. Es sei denn, Sie stecken sich ein paar Äste in die Ohren und verkleiden sich als Baum.«
Pam brachte Spandau das Halstuch und ein Bündel Briefe an den Pool. Er setzte sich unter einen Sonnenschirm und unterzog die Sachen einer gründlichen Prüfung.
»Wenn ihr mich fragt, ist das Ganze viel Lärm um nichts«, sagte Anna. »Wahrscheinlich bin ich mit dem Tuch nur irgendwo hängen geblieben.«
»Nein«, antwortete Spandau. »Es wurde zerschnitten.«
»Und an den Briefen ist mir weiter auch nichts aufgefallen, außer der roten Tinte. Die bereiten mir keine schlaflosen Nächte.«
Spandau nahm sich die Briefe noch einmal vor. Das Hausmädchen brachte eine Platte mit Sandwiches und eine Kanne Kaffee heraus. Pam schenkte ein.
Ohne sich vom Liegestuhl zu erheben, sagte Anna: »Das ist doch lachhaft. Er war so dicht an mir dran, er hätte mir jederzeit etwas antun können. Wieso sollte er sich dann mit dem Tuch
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