Naechtliches Schweigen
in ihr Zimmer zu tragen. »Für sie und für dich.«
»Du tust das Richtige.«
»Die Welt ist so verdammt daneben. Früher dachte ich immer, wenn wir es schafften, wirklich ganz nach oben schafften, dann würden die Leute auf uns achten, hören, was wir zu sagen haben. Heute bin ich mir dessen nicht mehr sicher.«
»Was ist denn mit dir los, Bri?«
»Ich weiß es nicht.« Vorsichtig ließ Brian Emma auf das Bett gleiten und wünschte, er könnte den genauen Grund für die Unrast, die Unzufriedenheit nennen, die ihn seit einiger Zeit plagte. »Vor Jahren, als wir kurz vor dem Durchbruch standen, da fand ich alles fantastisch. Die ganzen Mädchen, die uns anhimmelten, unser Bild in jeder Zeitschrift, unsere Musik andauernd im Radio.«
»Ist es das, was du wolltest?«
»Das war es, ist es, ich weiß nicht. Wie können wir die Menschen erreichen, ihnen begreiflich machen, was wir ihnen zu sagen haben, wenn sie jedes verdammte Konzert hindurch nur kreischen wie die Wilden? Wir sind eine Farce, bloß ein Bild, das Pete aufgebaut hat, um den Plattenverkauf anzukurbeln. Ich hasse das!« Frustriert ballte er die Fäuste. »Manchmal denke ich wirklich, wir sollten wieder ganz von vorne anfangen, in den Kneipen, wo die Leute zugehört oder getanzt haben, wenn wir spielten. Damals haben wir einen Draht zum Publikum gefunden. Ach, ich weiß auch nicht.« Er fuhr sich mit der Hand durchs Haar. »Ich schätze, ich hab' damals gar nicht kapiert, wie viel Spaß wir hatten. Bloß - es gibt kein Zurück.«
»Ich wusste ja gar nicht, dass du so denkst. Warum hast du nie mit mir darüber gesprochen?«
»Ich habe es selbst nicht gewusst. Es ist nur so, nun, ich komme mir nicht mehr vor wie der eigentliche Brian McAvoy. Ich hatte keine Vorstellung davon, wie nerv tötend es sein kann, wenn man noch nicht mal mit Kumpels einen trinken oder am Strand liegen kann, ohne dass man von den Leuten belästigt und um Autogramme gebeten wird.«
»Du kannst das ändern. Du könntest zum Beispiel nur noch Texte schreiben.«
»Kann ich nicht.« Er betrachtete die friedlich schlafende Emma. »Ich muss auftreten, singen. Jedes Mal, wenn ich auf der Bühne stehe, oder im Studio, dann weiß ich ganz tief drinnen, dass es das ist, was ich will. Was ich brauche. Aber alles andere... Alles andere nervt, und das konnte ich nicht ahnen. Vielleicht liegt es an der Art, wie Hendrix und Janis Joplin gestorben sind, oder daran, dass die Beatles auseinandergingen. So eine Verschwendung, Bev. Es bedeutet das Ende, und ich bin noch nicht soweit.«
Sie legte ihm die Hand auf die Schulter, knetete die festen Muskeln. »Nicht das Ende. Nur eine Veränderung.«
»Jeder Schritt, der uns nicht nach vorne bringt, wirft uns zurück, verstehst du das denn nicht?« Doch er wusste, sie konnte ihn nicht verstehen, und so versuchte er, seine Gefühle in einfachere Worte zu kleiden. »Da gibt es mehrere Gründe. Pete will uns wieder auf Tournee schicken, Stevie will mit anderen Bands zusammenarbeiten oder diese Filmmusik machen. Es ist nicht mehr so wie früher, als wir vier eine Einheit waren und unsere Musik von Herzen kam. Jetzt zählen nur noch Image und Geld. Der Rubel muss rollen!«
Emma bewegte sich und murmelte im Schlaf.
»Und was wird, wenn Emma zur Schule kommt und Darren eines Tages aus dem Haus geht? Was für ein Leben werden sie führen müssen? Werden die Leute ihnen keine Ruhe lassen, nur weil ich ihr Vater bin? Ich wollte unbedingt vermeiden, dass sie so eine beschissene Kindheit haben wie ich, aber mache ich es denn besser? Was mute ich ihnen nur zu?«
»Bri, du machst dir zu viele Gedanken, aber gerade das liebe ich an dir so. Den Kindern geht es gut. Du brauchst sie doch nur anzusehen. Vielleicht haben sie keine ganz gewöhnliche Kindheit, aber sie sind glücklich, und wir werden dafür sorgen, dass das so bleibt. Wer du auch bist und was du auch darstellen magst, du bleibst ihr Vater. Um alles andere werden wir uns schon kümmern.«
»Ich liebe dich, Bev. Ich muss verrückt sein, mir derart den Kopf zu zerbrechen. Wir haben doch alles, was wir brauchen.« Er zog sie enger an sich und presste seine Lippen in ihr Haar. Und dennoch wünschte er, er könnte verstehen, warum mit einem Mal alles viel zu viel geworden war.
Brians Unbehagen verschwand nach einigen Joints. Er war von Menschen umgeben, die ihn verstanden, die seine Wünsche und Hoffnungen nachempfinden konnten. Laute Musik und reichhaltige Auswahl an Drogen taten ein übriges. Koks, Gras,
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