Naechtliches Schweigen
Grüner Türke, Speedies und Benzedrin waren vorrätig. Die wehmütige, anrührende Musik von Janis Joplin tönte aus der Stereoanlage. Brian hätte ihr stundenlang zuhören mögen, wenn sie mit ihrer heiseren Stimme ihr >Ball and chain< herauskrächzte. Dann wurde er sich sehr der Tatsache bewusst, dass er am Leben war und immer noch die Chance hatte, etwas zu bewirken.
Er beobachtete Stevie, der mit einem Rotschopf im lila Mini tanzte. Dem bereitete es kein Kopfzerbrechen, als eine Galionsfigur des Rock angesehen zu werden und als Poster die Wände der Mädchenzimmer zu schmücken, sinnierte Brian, während er ein paar Salzbrezeln mit mildem irischen Whisky hinunterspülte. Stevie wechselte seine Freundinnen mit der gleichen Gedankenlosigkeit wie seine Hemden. Allerdings war er fast ständig stoned. Unwillig lächelnd, drehte sich Brian einen weiteren Joint und entschied, dass es an der Zeit war, sich in denselben Zustand zu versetzen.
Er distanziert sich schon wieder, grübelte Johnno, der aus einiger Entfernung bemerkt hatte, wie Brian sich absonderte. In der letzten Zeit war dies immer häufiger geschehen, doch Johnno war es als einzigem aufgefallen, vielleicht deshalb, weil er Brian von allen am nächsten stand.
Brian schien nur dann im Einklang mit sich selbst zu sein, wenn sie beide zusammensaßen und Songs schrieben, Melodien, Töne und Übergänge schufen.
Johnno wusste, dass der Tod von Hendrix und Joplin Brian - ebenso wie ihn selbst - tief getroffen hatte. Es war eine ähnlich niederschmetternde Erfahrung wie die Ermordung der Kennedy-Brüder gewesen. Den Menschen sollte es bestimmt sein zu altern und gebrechlich zu werden, ehe sie starben. Doch trotz seiner Erschütterung hatte er nicht solch starke Trauer empfunden wie Brian. Brian nahm alles viel zu schwer.
Sein Blick fiel auf Stevie, und das, was er sah, gefiel ihm ganz und gar nicht. Dass Stevie jede verfügbare Frau Amerikas vögelte, interessierte ihn einen Dreck. Anders verhielt es sich mit dem Drogenkonsum, über den Stevie immer mehr die Kontrolle verlor. Er gab keinen Pfifferling auf das Image des drogenfreien Rockstars, das sie aufbauen wollten.
Johnnos Blick wanderte zu P. M. Auch hier gab es ein kleines Problem. Nein, nicht mit Drogen, der arme, alte P. M. war nach einem einzigen Joint schon zu nichts mehr zu gebrauchen. Das Problem war dieses vollbusige blonde Flittchen, das sich vor zwei Monaten an den Drummer herangemacht hatte. Und P. M. schien es nicht eilig zu haben, sie loszuwerden.
Johnno musterte die langgesichtige, dunkeläugige Blondine genauer. Sie bestand nur aus Beinen und Titten, verpackt in ein enges rotes Kleid, und war längst nicht so hohl- köpfig, wie sie vorgab. Hart wie Stahl, dachte er, und sie schlug genau die Töne an, die P. M. hören wollte. Wenn er nicht aufpasste, würde sie ihn noch vor den Traualtar schleppen. Und die würde sich nicht bescheiden im Hintergrund halten wie Bev, die nicht!
Alle drei waren, jeder auf seine Weise, im Begriff, die Gruppe zu vernichten, und nichts bereitete Johnno mehr Sorgen.
Als Emma erwachte, vibrierte der Fußboden von den Bässen der Stereoanlage. Einen Moment blieb sie still liegen und lauschte, versuchte zu erkennen, welches Lied gerade gespielt wurde.
Mittlerweile hatte sie sich an die Partys gewöhnt. Papa hatte gerne Leute um sich, Musik und Gelächter. Sobald sie älter war, würde sie auch auf Partys gehen.
Bev sorgte immer dafür, dass das Haus sauber und aufgeräumt war, ehe die Gäste eintrafen. Emma hielt das für Unsinn. Am nächsten Morgen war das Haus immer in furchtbarer Unordnung, halbleere Gläser und überquellende Aschenbecher standen herum, und nicht selten fanden sich auf den Sofas und Stühlen noch einige übriggebliebene Gäste.
Emma überlegte, wie es wohl wäre, die ganze Nacht aufzubleiben, sich zu unterhalten, zu lachen, Musik zu hören. Erwachsenen schrieb niemand vor, wann sie ins Bett zu gehen oder ein Bad zu nehmen hatten.
Seufzend legte sie sich auf den Rücken. Die Musik wurde schneller, sie konnte das Pulsieren der Bässe in den Wänden spüren. Und da war noch etwas. Schritte, die die Diele entlangkamen. Miß Wallingsford, dachte Emma. Sie wollte gerade die Augen schließen und sich schlafend stellen, als ihr ein anderer Gedanke kam. Vielleicht wollten Papa und Mami nach ihr und Darren sehen. Wenn dem so wäre, könnte sie so tun, als ob sie gerade aufgewacht wäre, und sie dazu bringen, ihr von der Party zu erzählen.
Doch die
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