Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Naechtliches Schweigen

Naechtliches Schweigen

Titel: Naechtliches Schweigen Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: authors_sort
Vom Netzwerk:
empfunden hatte. »Ich war noch nie alles, und ich werde nie alles für dich sein.« Vorsichtig glitt sie neben ihn und nahm seine Hand. Selbst für vorurteilslosere Augen als die einer Tochter sah er immer noch überwältigend gut aus. Die Jahre, die Wunden, die ihm das Leben zugefügt hatte, hatten zumindest äußerlich keine Spuren hinterlassen. Vielleicht war er ein wenig zu mager, doch die Zeit hatte noch keine Falten in sein Gesicht geätzt, und in seinem blonden Haar zeigten sich noch keine silbernen Fäden. Welche Magie hatte ihm nur das Altern erspart, während sie erwachsen geworden war? Emma behielt seine Hand in der ihren und wählte ihre nächsten Worte sehr vorsichtig.
    »Das Problem besteht eher darin, dass du fast mein ganzes Leben lang alles warst, was ich hatte, und lange auch alles, was ich gebraucht habe. Aber, Papa, jetzt brauche ich mehr. Und alles, was ich verlange, ist, dass du mir die Chance gibst, es zu finden.«
    Sein Blick schweifte zweifelnd durch den Raum. »Hier?«
    »Nur für den Anfang.«
    Es war ihm unmöglich, mit jemandem zu debattieren, den er so gut verstehen konnte. »Dann laß mich wenigstens eine Alarmanlage installieren.«
    »Papa...«
    »Emma«, unterbrach er und drückte ihre Hand, »ich brauche meinen Schlaf.«
    Da musste sie lachen, und ihre innere Anspannung ließ nach. »Na schön, betrachten wir sie als Geschenk zum Einzug. Bleibst du zum Essen?«
    Erneut blickte er sich um. Er fühlte sich an seine allererste Behausung erinnert, obgleich diese eine ganze Ecke kleiner gewesen war. Erinnerungen kamen auf, an alte, abgewetzte Möbel, schlecht tapezierte, stockfleckige Wände, Liebe auf dem Fußboden mit Bev.
    »Nein.« Plötzlich wollte er nur noch fort, wollte seine verlorene Jugend, die Hoffnungen und Träume von damals vergessen. »Wir wär's, wenn ich dich und Marianne zum Essen ausführe?«
    Marianne lehnte sich gefährlich weit über das Treppengeländer. »Wohin?«
    Brian grinste zu ihr hoch. »Du hast die Wahl.«
    Nachdem sich Brian erst einmal mit Emmas Entscheidung abgefunden hatte, gefiel er sich in der Rolle des großzügigen Vaters. Er kaufte ihr eine Lithographie von Warhol, eine kostbare Tiffany-Lampe mit den Tierkreiszeichen darauf und einen kleinen, zartblau und rosa gemusterten Aubusson-Teppich. Kein Tag verging, an dem er nicht kurz hereinschaute und ihr ein neues Geschenk mitbrachte. Emma konnte ihn nicht davon abhalten, und als sie bemerkte, welche Freude er daran hatte, versuchte sie es auch nicht mehr.
    An seinem letzten Abend in New York gaben sie ihre Einweihungsparty. Umzugskisten standen auf dem wertvollen Teppich, die Tiffanylampe verschönerte den Kartentisch, und Plastikschüsseln mussten sich mit dem zerbrechlichen Limoges-Porzellan vertragen, das Mariannes Mutter ihnen geschickt hatte. Dank Johnno war das Radio durch eine riesige Stereoanlage ersetzt worden, die die Wände erzittern ließ.
    Eine buntgemischte Gesellschaft hatte sich eingefunden. Collegestudenten unterhielten sich mit Broadwaystars, Musiker diskutierten mit Malern. Von Jeans über Seide bis hin zu Abendgarderobe war alles vertreten. Die Wohnung war erfüllt von Gelächter und Debatten, die immer wieder in der dröhnenden Musik untergingen.
    Etwas wehmütig erinnerte sich Emma an die Parties ihrer Kindheit, an die Leute, die sich auf dem Fußboden und auf den Kissen herumflezten und nichts als ihre Kunst im Kopf hatten. Sie nippte an ihrem Mineralwasser und spielte den stillen Beobachter, wie sie es schon immer getan hatte.
    »Interessanter Abend.« Johnno tauchte neben ihr auf und legte ihr den Arm um die Schulter. »Ist noch Bier da?«
    »Mal sehen.«
    Emma dirigierte ihn in die Küche. Im Kühlschrank fanden sich nur noch eine angebrochene Flasche Wein und ein Sechserpack Beck's. Sie öffnete eine Flasche und reichte sie ihm.
    »Fast wie in alten Zeiten«, behauptete sie.
    »Mehr oder weniger.« Johnno schnüffelte an dem Glas in ihrer Hand. »Braves Mädchen.«
    »Ich mache mir nicht viel aus Alkohol.«
    »Dafür brauchst du dich nicht zu entschuldigen. Bri amüsiert sich blendend.« Er nickte zu der Wand hinüber, wo Brian auf dem Boden hockte und selbstvergessen an einer Gitarre zupfte.
    Emma sah ihm zu, wie er dasaß, auf seiner Gitarre klimperte und für sich und die Gruppe, die um ihn herumstand, einen seiner Songs sang. Die Liebe zu ihm überflutete sie wie eine Welle. »So eine Privatvorstellung macht ihm genauso viel Spaß, wie auf der Bühne zu stehen.«
    »Mehr

Weitere Kostenlose Bücher