Naechtliches Schweigen
Kindheitstraumes.
Dann sahen sie sich an, und in beiden Gesichtern spiegelte sich ein Anflug von Panik. Emmas befreites Lachen löste schließlich die Spannung. Untergehakt tanzten sie kreuz und quer durch ihr neues Heim.
»Unsere!« jubelte Emma, als sie atemlos innehielten.
»Unsere!« Sie schüttelten sich förmlich die Hände und brachen wieder in Gelächter aus.
»Okay, Mitbesitzerin«, begann Marianne. »Dann mal an die Arbeit.«
Mit Mariannes Sketchen, lauwarmer Pepsi und einem überquellenden Aschenbecher machten sie es sich auf dem Boden bequem. Hier musste eine Trennwand hin, dort ein Treppenaufgang. Oben ein Studio, unten eine Dunkelkammer.
Pläne wurden gemacht und wieder verworfen, es wurde gezeichnet und radiert, bis Marianne schließlich mit ihrer Zigarette winkte. »Das ist es! Perfekt!«
»Eine echte Erleuchtung.« Emma belohnte sich mit einer weiteren Zigarette. »Du bist ein Genie!«
»Ich gebe es in aller Bescheidenheit zu.« Marianne schüttelte ihren Igelhaarschnitt und stützte sich auf die Ellbogen. »Danke für die Anregungen.«
»Nichts zu danken. Wir sind eben beide genial. Platz für alles, und alles an seinem Platz. Ich kann es kaum noch erwarten, bis - o Scheiße!«
»Was soll das heißen - Scheiße?«
»Kein Badezimmer. Wir haben das Bad vergessen.«
Nach einer kurzen Überprüfung zuckte Marianne die Achseln. »Vergiss das Bad. Wir benutzen das im YMCA.«
Emma streckte ihr bloß die Zunge heraus.
Marianne saß auf einer Trittleiter und pinselte zwei lebensgroße Portraits von Emma und ihr selbst an die Wand. Währenddessen hatte Emma es übernommen, für ihr leibliches Wohl zu sorgen, und verstaute gerade Lebensmittel in dem frisch überholten Kühlschrank.
»Emma, es klingelt!« brüllte Marianne in dem Versuch, den Radiolärm zu übertönen.
»Ich hab's gehört.« Emma packte zwei Grapefruits, einen Sechserpack Pepsi und ein Glas eingemachte Erdbeeren aus. Als die Klingel zum zweiten mal ertönte, deponierte sie die Sachen auf einem Regal und betätigte die Gegensprechanlage neben dem Fahrstuhl, dessen Türen sich direkt zum Wohnbereich öffneten. »Ja?«
»McAvoy und Carter?«
»Richtig.«
»Wir liefern ihre Betten.«
Emma drückte auf den Türöffner und stieß ein Indianergeheul aus.
»Was soll das?« erkundigte sich Marianne, die stirnrunzelnd ihr Werk betrachtete.
»Betten!« schrie Emma. »Wir haben Betten!«
»Mach keine faulen Witze. Nicht, während ich male, oder es knallt!«
»Ich mache keine Witze. Sie sind auf dem Weg nach oben.«
Marianne unterbrach ihre Arbeit und fuchtelte mit dem tropfenden Pinsel herum. »Richtige Betten?«
»Matratzen, Marianne«, Emma lehnte sich an die Leiter. »Bettgestelle.«
»Jesus!« Marianne drehte die Augen gen Himmel. »Das ist ja fast so schön wie ein Orgasmus.«
Als die Fahrstuhlglocke läutete, schoß Emma wie von der Tarantel gestochen durch den Raum. Doch alles, was sie sehen konnte, war eine plastikverpackte Matratze von königlichen Ausmaßen. »Wo soll sie denn hin?« fragte eine erstickte Stimme dahinter.
»Eine können Sie bitte gleich nach oben bringen.« Der Mann, auf dessen Kappe >Buddy< gestickt war, seufzte gottergeben, wuchtete die Matratze über den Kopf und quälte sich die Treppe hoch. »Wir kriegen immer nur eine in den Fahrstuhl. Mein Kollege wartet unten.«
»Gut.« Emma betätigte erneut den Türöffner. »Richtige Betten«, sagte sie zu Marianne, die näher gekommen war.
»Bitte, wir sind nicht allein. Verdammt, das Telefon klingelt. Ich geh schon ran.«
Der Fahrstuhl stand still. Emma dirigierte den zweiten Mann - Riko, laut seiner Kappe - hinein und lächelte Buddy gewinnend zu, der auf dem Weg war, die Bettgestelle zu holen. Als sich die Fahrstuhltüren öffneten, grinste sie. Die Gestelle füllten die Kabine völlig aus. »Einer geht, einer kommt. Was Kaltes zu trinken gefällig?«
Brian kämpfte sich hinter den Betten hervor. »Gerne.«
»Papa!«
»Mr. McAvoy!« Marianne drehte das Radio leiser und wischte die farbverschmierten Hände an ihrem Overall ab.
»Sie stehen im Weg«, beklagte sich Buddy, der sich mit dem sperrigen Bettgestell abmühte.
»Papa«, stammelte Emma verwirrt. »Wir wussten nicht, dass du hier bist.«
»Offensichtlich nicht. Himmel, Emma, hier kann ja jeder raufkommmen. Lasst ihr die Eingangstür immer offen?«
»Wir bekommen gerade Betten geliefert.« Emma zeigte auf Riko, der mit seiner Last ins Zimmer keuchte, dann lächelte sie zaghaft und gab
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