Naechtliches Schweigen
nicht wiederhole.«
»O je.«
»Und dann hat er bei allem, was ihm heilig ist, geschworen, ein Auge auf dich zu haben.« »Und?«
»Schließlich, nach hartem Kampf, hat sich Brian damit einverstanden erklärt, dass du hier zur Uni gehst, aber nur...« fügte er hinzu, ehe Emma einen Freudentanz aufführen konnte, »nur unter der Bedingung, dass du die Leibwächter behältst.«
»Verdammt, ich will nicht, dass diese Schleicher mir auf Schritt und Tritt folgen! Da könnte ich genauso gut ins Saint Chaterine's zurückgehen. Wann wird er endlich einsehen, dass nicht hinter jedem Busch ein Kidnapper lauert? Hier weiß doch niemand, wer ich bin, und keiner kümmert sich um mich.«
»Doch. Er.« Luke legte seine Hand über ihre. »Emma, manchmal müssen wir das nehmen, was wir kriegen können. Glaub mir, ich weiß das.«
»Ich will doch nur ein ganz normales Leben führen«, erklärte sie verzweifelt.
»Das wollen die meisten von uns.« Als Emma errötete, lächelte er nur. »Sieh mal, uns beiden liegt viel an Johnno. Ich schätze, das macht uns zu Freunden, richtig?«
»Ja, richtig.«
»Dann nimm einen freundschaftlichen Rat an. Betrachte die Angelegenheit mal so: Du möchtest in New York bleiben, ja?«
»Ja.«
»Du möchtest hier zur Uni gehen?«
»Ja.«
»Du möchtest eine eigene Wohnung haben?«
Frustriert sah sie ihn an. »Ja.«
»Nun, das kannst du alles haben.«
»Du hast recht«, gab sie zu. »Du hast vollkommen recht. Außerdem werde ich die Leibwächter schon abschütteln.«
»Das hab' ich überhört.« Wieder blickte er auf die Uhr. »So, ich muss los. Sag Johnno, ich bring' was vom Chinesen mit.« Er griff nach einer Aktentasche, dann schlug er sich an die Stirn. »Fast hätte ich's vergessen. Sind das deine?« Er zeigte auf die Mappe, die offen auf der Anrichte lag.
»Ja.« »Gute Arbeit. Hast du was dagegen, wenn ich die mitnehme und ein paar Leuten zeige?«
»Das musst du nicht. Nur weil ich mit Johnno befreundet bin, heißt das noch lange nicht, dass...«
»Halt die Luft an. Sieh mal, ich habe die Fotos zufällig gefunden und sie mir genauer angesehen. Und das, was ich gesehen habe, hat mir gefallen. Johnno hat mich nicht gebeten, dir Starthilfe zu geben, das würde er nie tun.«
Emma rieb die Hände an ihren Jeans. »Gefallen sie dir wirklich?«
»Ja. Ich kenne da verschiedene Leute. Mal seh'n, was ich für dich tun kann - wenn du willst.«
»Ich wäre dir sehr dankbar. Sicher, ich habe noch viel zu lernen - deswegen bin ich ja hier. Ich hab' auch schon an einigen Wettbewerben teilgenommen, aber...« Ihr wurde bewusst, dass sie unzusammenhängendes Zeug plapperte. »Danke. Ich weiß das zu schätzen.«
»Keine Ursache. Bis später.« Luke klemmte sich die Mappe unter den Arm und verschwand.
Emma blieb sitzen und dachte nach. Ihr Weg ins Leben hatte begonnen. Sie würde ihn bis zum Ende verfolgen.
16
»Sie gehört uns!«
Emma und Marianne standen Arm in Arm am Fenster ihrer neuerworbenen Wohnung in Soho. Emmas Stimme klang benommen und aufgeregt zugleich.
»Ich kann's noch gar nicht glauben«, murmelte Marianne.
»Glaub es. Sie gehört uns - samt zu hohen Decken, morschen Rohren und Wucherzinsen.« Emma tanzte vor Freude lachend um ihre Freundin herum. »Wir sind Wohnungsbesitzer, Marianne. Du, ich und die Manhattan Chase Bank.«
»Wir haben sie doch tatsächlich gekauft.« Marianne setzte sich auf den arg mitgenommenen Holzfußboden. Den Straßenlärm hörte man bis in den dritten Stock, in dem die Wohnung lag. Draußen krachte etwas, und sogar durch das geschlossene Fenster drangen die wütenden Schreie und Verwünschungen. All das klang wie Musik in ihren Ohren.
Die zu einer Wohnung umgewandelte alte Fabrikhalle war sehr groß und quadratisch geschnitten. Zur Straße hinaus gingen riesige Fenster, die einen atemberaubenden Blick über die Stadt boten.
Eine solide Investition, hatte Mariannes Vater knurrend zugegeben.
Komplette Idiotie, lautete Johnnos Urteil.
Investition oder Idiotie, die Wohnung gehörte ihnen. Immer noch mit den formellen Kostümen bekleidet, die ihnen bei der Vertragsunterzeichnung einen Anstrich von Respektabilität verleihen sollten, inspizierten beide ihr neues Heim, das Ergebnis wochenlanger Suche, unzähliger Anrufe bei Maklerbüros und wiederholten Vorsprechens bei verschiedenen Banken. Mochten andere auch die Wohnung für eine große, kahle Höhle mit fleckiger Decke und blinden Fenstern nennen, für sie war es die Erfüllung ihres
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