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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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aufgerissene Kefir-Packung an den Mund. Petrow roch nicht eben fein, war aber schön wie ein Engel. Und Jegor sprach und sagte:
    »Dinge und Gebeine ... Freiheit und Gerechtigkeit... Bruder Iwan behauptet: Das Gewebe der Dinge ist so dicht, dass kein Licht sie durchdringt. Er setzt die Dinge gegen das Licht, die Gebeine gegen die Seele. Erklärt das Christentum für zu körperlich und darum zu eng für die Wahrheit. Der Islam dagegen, der das Dingliche und Körperliche bei der Gestaltung seiner Vitrinen keusch vermeidet, strebe über die Dinge hinaus, an den Scheinwelten vorbei - geradewegs zum Allerhöchsten. Bruder Naum dagegen lehrt, man brauche nicht zum Allerhöchsten zu gehen, alle Arbeit warte hier, und zwar schwere Arbeit, gottlose - für die Freiheit der Menschen voneinander und die Gerechtigkeit zwischen ihnen. Ich werde beweisen, dass die Sorge um Dinge nicht eitel und der Wunsch nach Unvergänglichkeit der Körper ein gottgefälliges Werk ist, das zu Freiheit, Gerechtigkeit und Licht führt.«
    »Gib ihnen Zunder, Jegor!«, schnieften Julia und Foma hinter dem Müll.
    »Na los, erzähl«, lärmten die anderen. Jegor erzählte:
    »Nehmen wir Petrow. Jetzt macht er ganze zehn Kilogramm im Universum aus. Zu wenig, um Forderungen zu stellen. Irgendwann bringt er es auf rund einen Zentner. Ein Klacks, im Maßstab der Astronomie gesehen. Aber auch diesem Klacks lässt man keine Ruhe. Er kann nicht auf dem Sofa liegen und faulenzen. Er wird hochgezerrt, obwohl er keinen stört, genervt, sinnlos belästigt, nur aus bösen Absichten anderer heraus. Wie viele Kinder leiden an schrecklichen Krankheiten, werden von Pädophilen vergewaltigt, durch Kriege getötet, während wir hier dumm schwatzen? Ein Glück, dass die Petrowa ihren Petrow hier vergessen hat und nicht an einem schlimmeren Ort. Dann wäre Petrow verloren gewesen, und zwar nicht einfach so, sondern ganz übel. Und wofür? Wenn ein Lump leidet, ein Henker gerichtet wird - selbst dann denkst du: Hoffentlich hat er bald ausgelitten, der Arme, so geht es doch nicht. Doch er hier? Eine unschuldige Seele, warum würde Gott seine Leiden dulden? Das ist ungerecht und durch keinerlei Vorsehung zu rechtfertigen. Wofür der Kinderkreuzzug? Wofür Majdanek? Wofür Beslan? Wofür und wozu?
    Selbst ohne Beslan ist es furchtbar genug. Petrow wird doch sterben, so wie all unsere Kinder. Sie werden alt und kratzen ab.
    Das ist unerträglich. Da liegt die wahre Unfreiheit, die eigentliche Ungerechtigkeit, nicht in der Frage, wer ein Linsengericht bekommt oder wer einen kalorienreichen Posten.
    Warum sind so viele Völker Jesus gefolgt? Er hat gesagt - nichts ist wichtiger und besser als das Leben. Das Leben muss ewig sein, er hat die Auferstehung im Fleisch versprochen. Die Befreiung vom Tod verkündet. Solange es diese höchste Freiheit nicht gibt, ist alles Kryssawin'sche politische Treiben ein hohles, böses Werk, tobende Verzweiflung, pathetischer Lärm, um die simple Todesangst zu übertönen. Auch in Revolutionen stürzen sich die Menschen nationenweise nur aus Angst vor dem Sterben, denn sie haben nur ein Leben, und das ist kläglich, sie wollen ein anderes, ein neues - ein weiteres! - Leben. Die Vergötterung des Lebens, Aufstand gegen den Tod; Überschreiten der eigenen Grenzen - zur Freiheit; die Auferstehung im Fleisch, nicht irgendwie, sondern wahrhaftig im Fleisch - das war es, wozu Jesus aufrief. Daher das Interesse am unvergänglichen Fleisch und an der dinglichen Welt, ohne die das Fleisch nicht sein kann. An Gebeinen und Dingen, an allem, was nicht faulen kann. Die Menschen folgten Jesus deshalb, weil er das Tiefste in ihnen erkannte - die Gier nach den eigenen Knochen, Haaren, dem eigenen Fleisch, den Starrsinn, der Zeit kein Gramm des geliebten eigenen Gekröses zu überlassen, die Ununterscheidbarkeit und Untrennbarkeit der Seele vom Körper. Nicht nur die Seele dürstet nach Unsterblichkeit, nein, auch die Leber, die Nieren und die Mandeln.«
    »Oh, die Mandeln dürsten! Wahrlich, so ist es«, schluchzte das junge Paar hinterm Müll.
    »Amen«, klatschte Rafschan in die arbeitsschwieligen Gastarbeiterhände.
    »Die Befreiung des Lebens vom Tod und vom Bösen; seine Vergötterung aus einem Überfluss an Zärtlichkeit und Mitleid haben die christlichen Nationen vorangebracht - in der Politik zur Demokratie, im Alltag zu technischem Erfindergeist«, redete sich Jegor in Fahrt. »Was sagt die Demokratie? Sie sagt: Du, du und du - ihr alle seid von

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