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Nahe Null: [gangsta Fiction]

Nahe Null: [gangsta Fiction]

Titel: Nahe Null: [gangsta Fiction] Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Nathan Dubowitzki
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erschien und erhielt die kurze Anweisung: »In die Buchenwalka.« So hieß eine alte Banja am Rande von Stassows mit wild gewordenen Gurken überwuchertem Garten, wo diejenigen, die sich etwas hatten zuschulden kommen lassen, sich die Seele aus dem Leib schwitzten und bis zur Bewusstlosigkeit mit Reisern gepeitscht wurden. Abakum führte Gennadi, der ein unendliches, klagendes »aaaaaah« von sich gab, zur Bestrafung.
    Jegor und Stas schwiegen eine Weile.
    »Entschuldige. Abakum ruft dich an, sobald er kann. Und bezahlt alles. Wir arbeiten weiter zusammen. Es ist nichts gewesen. Vergiss es. Geh jetzt«, sagte Ktitor versöhnlich.
    Auf dem Weg zu seinem Auto begegnete Jegor einigen mit Reisig und Brennholz beladenen Tadshiken, die zur alten Banja trotteten.
     

18
    Die späten, letzten Stunden des Freitags verbrachte Jegor in einer nicht sehr schönen Wohnung am Trubnaja-Platz. In einer von allen Seiten von Büros, Teppichläufern, Service- und Fitnessräumen bedrängten, nur durch ein Wunder und durch Schlamperei der galoppierenden Gier der Großstadt entgangenen alten Hauswartbude. Als Hauswarte getarnt lebten darin zwei Philosophen, drei Dichterinnen, ein Revolutionär und noch irgendwer ... Allerdings tauchten die Bewohner nur selten und nie zusammen auf, doch jeder unzufriedene, unsaubere, mittellose Wanderer durfte hier übernachten und Tee trinken. Im Interesse der Demokratie nie mehr als zwei Nächte hintereinander, und zum Tee musste der Gast etwas für die Allgemeinheit mitbringen - Zucker, eine Torte, ein Buch, eine DVD, Gras, Wein, eine Zahnbürste, warme Socken.
    Die Hauswartbude war nicht direkt eine Wohnung, vielmehr eine geräumige, zehn mal zehn Meter große Küche mit einem Gasherd, einem Kaltwasserhahn, den Ruinen eines herrschaftlichen Schranks, haufenweise unbrauchbaren Stühlen und Hockern, schmutzigem Geschirr, leeren Flaschen und überfüllten Aschenbechern, löchrigen Schlafsäcken und verdreckten Fernsehern und Laptops.
    Hier tummelten sich zahlreiche kleine rebellische Graphomanen, bösartig und fruchtbar wie Insekten. Hin und wieder ließ sich in dem stinkenden Gewimmel ein größerer Fang machen, etwa ein großer Schriftsteller oder ein seltener Dichter mit regenbogenfarbig schillernden Schuppen, die, wie Tiefseefische mit ihren exotischen Zungen und Flossen wedelnd, gluckernd rätselhafte Worte absonderten, nahe herankamen und sich plötzlich still, mühelos wieder losrissen und zurückstrebten - in einen Strudel hinab auf den Grund oder hinauf zum Himmel. Von hier ging Jegor immer mit reicher Beute, wie von einem Besuch bei Eingeborenen, erwarb für ein paar Groschen und Kleinigkeiten von den Genies kostbare Perlen und ganze Königreiche. Die Gedichte, Romane, Stücke, Drehbücher, philosophischen Traktate oder auch Aufsätze zur Wirtschaft, zur Superstringtheorie, manchmal auch Sinfonien oder Streichquartette fanden reißenden Absatz und erregten dann lange Aufsehen unter dem Namen von Salonlöwen, Politikern, Kindern und Geliebten/Liebhabern von Milliardären oder einfach nur fiktiven Romanautoren, Wissenschaftlern und Komponisten, die alles beherrschten, was es an Vernünftigem, Gutem, Ewigem in unseren gottbegnadeten Sümpfen gab.
    An jenem Abend war in der Hauswartbude nicht viel los. In der Mitte des Raums entspannte sich in einem antiken Zuber mit heißem Schaum die soeben aus Shambala zurückgekehrte Mumie der Hippie-Schönheit der Siebziger (des vorigen Jahrhunderts) und Boheme-Göttin Musa Merz, Modeschöpferin aus Berufung und Quantenphysikerin von Beruf. Aus ihrem eingeseiften Schädel ragte ein gewaltiger Joint von der Größe einer Klarinette. Der Joint verströmte so starken und heilkräftigen Rauch, dass er jeden Eintretenden berauschte. Jegor war in eine Hitze getreten, die er nicht lange aushalten würde.
    Zu Musas Füßen, ihren staubigen Feldmantel auf dem Boden ausgebreitet und die notwendigen Bauteile und Zutaten im Kreis darauf verteilt, bastelte ein reisender Aktivist, Anführer des westlich orientierten, ultraliberalen Zweigs der nazistischen Organisation des Großen Gardarika und Sohn eines berühmten Mathematikers, der breitbrüstige und blutrünstige Intellektuelle Naum Kryssawin, dessen Gesicht wie ein Stück Speck aussah, nach mühsam auf verbotenen Wegen beschafften Vorlagen eine hochmoderne »Fächerbombe«. Die Bombe wurde am nächsten Tag benötigt, an dem auf dem Basar von Dorogomilowo eine Versammlung der vietnamesischen und aserbaidshanischen

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