Nahe Null: [gangsta Fiction]
du denn Russe sein? Du kannst doch kaum Russisch«, insistierte Iwan.
»Jegor, du hast davon gesprochen, dass man einander nicht das Leben verkürzen soll, dann weicht angeblich der Tod zurück«, sagte der Bombenbastler Kryssawin.
»Ja, wenn die Menschen in der ersten Phase des Kampfes gegen den Tod aufhören, einander zu töten, wird es nur noch so wenig Tod geben, dass es nicht schwer sein wird, ihn ganz zu besiegen. Noch aber bringen den Tod meist nicht Naturkatastrophen, nicht Gottes Zorn, nicht Epidemien, sondern direkt oder indirekt die Menschen selbst. Was das Indirekte angeht - das ist eine langwierige, heikle Aufgabe. Doch auf die direkte Erzeugung von Tod, also auf das Töten, legales und illegales, könnte man schon heute verzichten«, erläuterte Jegor.
»Und du würdest darauf verzichten?«, fragte Kryssawin und warf die Bombe, als sei sie heiß, von einer Hand in die andere.
»Das habe ich bereits«, antwortete Jegor bescheiden, errötend und verlegen.
»Nanu! Und wenn die Jungs von Uralmasch dir deine Buchladen und Lager in Perm und Jekaterinburg wegnehmen wollen, dann überlässt du sie ihnen?«
»Nein, das tue ich nicht. Aber ich werde nicht töten«, sagte Jegor leise.
»Aber genau das werden sie tun«, beharrte Kryssawin. »Sie schießen dir ein Loch in den Schädel, und du hältst ihnen die andere Wange hin, ja?«
»Ich weiß nicht. Ich werde die Läden nicht hergeben, und ich werde nicht schießen«, runzelte Jegor die Brauen.
»Weder Frieden noch Krieg ... Na schön, scheiß auf die Läden, die sind weit weg. Aber wenn ich dir hier und jetzt ins Gesicht spucke, dann erschießt du mich nicht an Ort und Stelle?«, ließ Kryssawin nicht locker.
»Nein, ich schieße nicht«, murmelte Jegor unsicher.
»Du? Und nicht schießen? Du hast Schnobel bloß deswegen abgeknallt, weil er Gogol geringer schätzte als Tolstoi! Alle hersehen, ich spucke!«, brüllte Kryssawin und rannte zu Jegor.
An die vier Minuten standen sie sich gegenüber. Alle schwiegen, warteten auf das Spucken und natürlich auf einen Schuss. Kryssawin zögerte, weil er sich nicht ganz sicher war, ob es sich lohnte, für weniger als eine Line Kokain von der Hand eines politisch ungebildeten Kriminellen in einer Hauswartbude zu sterben ...
20
»He, Kryssa, hast du Salpeter? Einen Zünder?« Die Tür ging auf, und ins Zimmer kam ein schlankes schwarzhaariges, dunkelhäutiges junges Mädchen in schwarzgrünem Pullover und schwarzgrünen Jeans mit einem protzigen, mit goldenen arabischen Schnörkeln verzierten Shahid-Gürtel.
»Hallo, Salecha. Salpeter hab ich, Zünder auch«, freute sich Kryssawin über die Gelegenheit, Jegors Gewaltfreiheit nicht auf die Probe stellen zu müssen. »Was willst du damit?«
»Am Montag das Russische Theater in Riga in die Luft sprengen.«
»Warum?«
»Weil es russisch ist.« Salecha lächelte wie Petrow, ganz und gar engelhaft. Dann zeigte sie auf die Höllenmaschine in Kryssawins Händen und fragte: »Und für wen braust du den Cocktail?«
»Für deine Leute. Ich nehm mir morgen deine Schwarzärsche vor.«
»Warum nicht, von mir aus auch meine Leute, wenn es einen Grund gibt. Du sprengst meine in die Luft, ich deine, und zusammen machen wir eine gemeinsame Sache«, lachte Salecha verwegen.
»Was hast du Haremshure denn mit diesem Schwarzhunderterjidd für eine gemeinsame Sache?«, schäumte plötzlich Musa Merz wütend.
»Wir halten die vom Fressen stumpf gewordene Herde wehleidiger werktätiger Leichen auf Trab, die, die sich nur vor Schreck zum Denken bequemen. Streitet euch nicht, Mädels«, antwortete Kryssawin rasch für Salecha, um einen Zusammenstoß zu verhindern, was ihm nicht ganz gelang.
Salecha richtete eine quasi aus der Luft gegriffene kurzläufige Waffe auf die Beleidigerin, Musa ihrerseits zielte aus ihrem Zuber mit einem für den Fall der Fälle auf dem Grund verborgenen und nun hochwillkommenen furchteinflößenden Unterwassergewehr auf die Terroristin.
Jegor, mit einer Hand Petrow festhaltend, zog mit der anderen eine Makarow unterm Hemd hervor und befahl den Damen, die Waffen niederzulegen.
»Hört auf Jegor, er ist ein echter Gangsta«, schrie Foma hinter der Heizung hervor.
»Ha, und nun spuck ihm mal in die Fresse, nach so was«, staunte Kryssawin höhnisch. »Schluss jetzt, meine Damen. Sale-
cha, pack die Knarre weg, sonst kriegst du keine Zünder. Frieden, Freundschaft und den Menschen ein Wohlgevögel! Toleranz und Multikulturalität!«
Salecha ließ
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