Nahkampf der Giganten
daß er’s schaffen wird, Sir?« Er mußte sich in Trab setzen, um mit Bolithos weitausgreifenden Schritten mitzukommen. »Ich meine, Sir, wenn ich nicht auf ihn aufpasse, ist er doch verraten und verkauft.«
Bolitho blieb am Boot stehen und sah auf Piper hinunter. »Bestimmt wird er das, Mr. Piper. Er hatte ja einen guten Lehrmeister.« Und als er ins Boot sprang, versuchte er, sich einzureden, daß seine Worte keine Lüge gewesen waren.
Mit dem ersten Licht des nächsten Tages ging die
Hyperion
Anker auf und segelte, die Rahen rundgebraßt, um die schwache nordwestliche Brise voll auszunutzen, langsam an den schützenden Armen der Hafeneinfahrt vorbei und hinaus auf die offene See.
Das Städtchen schien noch zu schlafen; abgesehen von den Wachtposten und ein paar müden Matrosen waren Landungsbrücke und Uferstraße verlassen und still.
Herrick stand an der Achterdeckreling, die Hände in den Hüften, und blickte kritisch zu den in den Masten arbeitenden Männern empor, deren nackte Arme im steigenden Sonnenlicht golden glänzten. Ein paar Unbeschäftigte standen auf den Decksgängen und starrten zum langsam vorbeigleitenden Panorama der Hügel und Häuser hinüber; und bei den ausgerichteten Rudern stand Piper mit der Jollenbesatzung, welche die letzten Zurrings klarierte, ehe das Schiff die offene See erreichte. Der Midshipman starrte, die Augen mit der Hand beschattend, nach Backbord; wahrscheinlich dachte er immer noch an seinen Freund.
Als Herrick sich von der Reling abwandte, merkte er, daß Bolitho ebenfalls starr nach achtern blickte; mit dem gesunden Arm stützte er ein Teleskop auf die Netze.
»Anker ist verstaut, Sir, Schiff seeklar«, meldete Herrick.
Bolitho ließ das Glas sinken. Die niedrigen Hügel der Landzunge verdeckten jetzt die Sicht auf die Stadt. In den endlosen Minuten, als das Schiff langsam auf die Hafenausfahrt zusegelte, hatte er sie noch sehen können, hatte ihre schlanke Gestalt bis zum allerletzten Moment im Teleskop behalten. Sie stand auf einem kleinen Balkon direkt über dem Wasser; hell hob sich ihr Kleid vom offenen Fenster ab, und ihr Gesicht war so nah und klar, daß er beinahe glaubte, sie berühren zu können. Als er das Glas sinken ließ, verschwanden Häuser und ankernde Schiffe; schon war die Verbindung abgerissen.
Er wandte das Gesicht in den Wind und erschauerte leicht, als er durch das offene Hemd an seine Brust berührte.
Gimlett hatte ihn vor Sonnenaufgang geweckt, aber er hatte noch minutenlang reglos in seiner Koje gelegen. Ganz leicht konnte er ihre Nähe, die Berührung ihrer Hand, sogar den Duft ihres Haares spüren. Es war ein hastiger Abschied im Hause Labourets gewesen. Als er danach in seiner Koje lag, waren ihm die warmen Decken wie ihre Umarmung vorgekommen, und als er aufgestanden war und sich vor seinem Spiegel rasierte, dachte er an ihre Hand, die ihn gestreichelt hatte.
»Mr. Herrick«, sagte er unvermittelt, »sobald wir klar von Land sind, lassen Sie Fock, Besan- und Großsegel setzen. Wir steuern Nordost und nutzen diesen ablandigen Wind aus.«
Herrick nickte. »In der Südsee habe ich mir geschworen, ich würde niemals mehr um Wind beten. Aber selbst die Nordsee im Winter ist besser als diese Flaute.«
Bolithos Blick war abwesend. »Ich weiß. Ein scharfer Wind, der einem gefrierenden Gischt ins Gesicht treibt, verjagt die trüben Gedanken, oder wenigstens tun sie dann nicht mehr so weh.«
Gossett spähte nach dem fernen Leuchtturm aus. Automatisch berechnete er im Kopf Abdrift und Kompaßkurs. »Klar zum Halsen, Sir.«
Zögernd fragte Herrick: »Ist alles gutgegangen, Sir? Ich meine, haben Sie alles arrangieren können?«
Bolitho seufzte. »Zum Teil, Thomas. Labouret wird tun, was er kann, das hat er mir versprochen. Und dann habe ich in Captain Ashby einen guten Verbündeten. Unter diesen Umständen bin ich jedenfalls froh, daß er an Land bleibt.«
Jetzt kam das Schiff klar von der Landspitze und überließ sich bereitwillig der wartenden Dünung. Das Sonnenlicht schoß durch das straffe Rigg und spielte auf der Krone des Titanenhauptes unterm Bugspriet.
Bolitho riß sich aus seinen trüben Gedanken. »Klar zur Halse, bitte!« Herrick wartete ab, bis der Befehl wiederholt und ausgepfiffen war, und fragte dann: »Noch Befehle, Sir?«
Plötzlich fiel Bolitho der frischgebrühte Kaffee in seiner Kajüte ein. Vorhin hätte er ihn nicht anrühren mögen; jetzt brauchte er ihn, und sei es auch nur, um allein zu sein. »Wir exerzieren
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