Nahkampf der Giganten
waren. Wie er sah, waren alle Kommandanten außer jenen der beiden Schaluppen anwesend. Die Schaluppen hielten an der nördlichen Zufahrt ein wachsames Auge auf die Küstenstraße, wo sich feindliche Truppen im Falle eines größeren Angriffs nähern mußten.
Pomfret stand neben dem Schreibtisch und sprach mit Oberst Cobban und einem großen, schlanken, hochmütig aussehenden Spanier, vermutlich Don Joaquin Salgado, dem Ranghöchsten ihrer Verbündeten. Sonst waren noch mehrere Heeresoffiziere sowie zwei oder drei von der Marine-Infanterie anwesend. Zu wenig, um standzuhalten, wenn die Franzosen mit gesammelter Kraft angriffen, dachte Bolitho grimmig.
Fanshawe flüsterte Pomfret etwas zu, und dieser sah kurz zu Bolitho herüber. Nur eine Sekunde lang – und bei diesem kurzen Blickwechsel las Bolitho nichts, gar nichts in Pomfrets blassen, vorstehenden Augen.
»Nehmen Sie Platz, meine Herren«, sagte der Admiral knapp. Ungeduldig tippte er mit der Fingerspitze auf, bis das Scharren und Murmeln vorbei war. »Vor drei Tagen hat mir die
Hyperion
Depeschen aus Cozar überbracht.« Wieder ein flüchtiger Blick, eiskalt und fremd. »Anscheinend bekommen wir die Verstärkung, auf die wir gezählt haben, noch nicht.«
Ein Gemurmel stieg auf; Pomfret wartete, bis es vorbei war, und fuhr dann fort: »Aber sie kommt, meine Herren, sie kommt bestimmt. « Er fuhr mit der Hand über seine Landkarte. »Diese Aktion in St.Clar kann der erste Schritt zu unserem Einzug in Paris sein! Haben wir mehr Schiffe und Soldaten zur Verfügung, dann können wir so tief in den weichen Unterleib Frankreichs stoßen, daß der Feind um Frieden bettelt!« Blitzend fuhr sein Blick durch den Raum. »Aber den werden wir ihm nicht bewilligen. Diesmal gibt es weder Frieden noch Verhandlungen, sondern nur den Sieg, den totalen Sieg!«
»Sehr richtig«, sagte jemand; aber abgesehen von dieser eins amen Stimme herrschte völlige Stille.
Bolitho wandte sich zum nächsten Fenster. Die staubigen Scheiben blinkten in der Sonne, große Insekten summten um die gepflegten Blumenbeete. In Cornwall dachte man jetzt wohl bereits an den Winter und legte Vorräte von Brennholz und Viehfutter an. Auf dem Lande war der Winter ein Feind, den man in Schach halten mußte, und zwar mit nicht weniger Entschlossenheit, als sie hier in St. Clar brauchten. Plötzlich fiel ihm Cheney ein. Was würde sie für ein Gesicht machen, wenn er sie in dem alten grauen Herrenhaus unterhalb der Festung herumführte? Mit ihr konnte das Haus wieder lebendig werden. Es würde nicht mehr eine bloße Stätte der Erinnerung sein, sondern ein Heim werden.
Pomfret sprach bereits weiter. »Der Patrouillendienst muß ständig aufrechterhalten werden, aber keinesfalls darf ein größeres Gefecht gesucht werden, ehe wir mehr Truppen und Artillerie haben; es sei denn, es gibt keine Alternative.«
Er nickte Cobban zu und ließ sich dann in einen hochlehnigen Stuhl mit vergoldeter Lehne fallen. Sein Blick war abwesend und grüblerisch. Cobban stand auf; seine Stiefel knarrten auf dem prächtigen Teppich. »Habe dem nicht viel hinzuzufügen«, sagte er.
»Meine Männer sind ausgeruht und kampfbereit. Wir erlitten bereits ein paar Verluste, aber das war zu erwarten. Spähen und Wachen lautet die Devise, meine Herren. Wir halten diesen Hafen, und der Feind soll noch wünschen, er wäre nie gegen uns angetreten!«
Ohne aufzublicken, bemerkte Don Salgado beiläufig: »Sehr schöne Worte, Colonel. Aber ich bin nicht sonderlich beeindruckt.« Anscheinend tief in Gedanken versunken, spielte er mit dem reichen Besatz seines gelben Uniformrocks. »Ich bin Kavallerist und es nicht gewohnt, hinter Hecken zu lauern und mich von irgendwelchen zerlumpten Flintenmännern beschießen zu lassen, die ich nicht einmal sehen kann!«
Cobban musterte ihn wütend, weil er seine wohlgesetzte Rede so brüsk unterbrochen hatte. Arrogant erwiderte er: »Das ist aber, wenn ich so sagen darf, nicht Ihre Angelegenheit!«
Langsam hob der Spanier die dunklen Augen und heftete sie auf Cobbans rotes Gesicht. »Tapfere Worte. Aber vielleicht haben Sie einen wichtigen Punkt übersehen?
Ich
befehlige nämlich die Hälfte unserer Streitkräfte, und nicht Sie.« Seine Stimme biß wie ein Degenstich. »Es war ausgemacht, daß ich meine Infanterie und Kavallerie Ihrem Oberbefehl unterstelle,
vorausgesetzt – «,
das Wort hing reglos in der Luft –, »vorausgesetzt, daß die Engländer Verstärkung schicken.« Vielsagend hob er die
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