Naios Begierde (Hüter der Elemente) (German Edition)
Sie stolperte in dem nassen Sand und griff instinktiv nach seiner noch immer ausgestreckten Hand, um nicht die Balance zu verlieren. Mit sanfter Kraft zog er sie dicht an sich heran und umschloss sie mit seinen Armen. Sein Oberkörper war nackt und nass von dem Wasser, doch so angenehm warm, dass sie sich seufzend und zitternd an ihn schmiegte. Es fühlte sich so richtig an, als gehöre sie in seine Arme.
„Vertrau mir Michelle. Komm mit mir. Willst du?“
„Ja“, antwortete sie schwach.
Er löste sich etwas von ihr und schaute ihr in die Augen. Ihr Herz klopfte wie verrückt. Würde er sie wieder küssen? Er ließ eine Hand über ihre Wange gleiten, legte sie unter ihr Kinn und hob es leicht an, dann senkte er seine Lippen auf ihre und küsste sie. Diesmal war der Kuss ein anderer. Sie schmeckte etwas leicht Salziges, durchaus Angenehmes, dass warm und weich ihren Mund eroberte und ihre Kehle hinabglitt. Dann fühlte sie einen leicht stechenden Schmerz hinter ihren Ohren und sie bewegte sich unruhig in seinen Armen. Panik stieg in ihr auf. Was ging hier vor? Sie wollte sich von ihm lösen, doch er hielt sie zu fest. Dann ließ der Schmerz plötzlich nach und Naios löste sich von ihr.
„Was war das? Was hast du mit mir gemacht?“, keuchte sie und fasste sich automatisch an die Stellen hinter ihren Ohren, die zuvor geschmerzt hatten. Dort war etwas, was sich anfühlte wie eine Narbe oder Ähnliches.
„Hab keine Angst. Es ist alles in Ordnung. Ich musste dir nur helfen, deine Kiemen zu aktivieren. Das erste Mal ist immer schmerzhaft und schwierig. Später geht es fast von allein und du merkst es kaum.“
„Kiemen?“, fragte sie schrill. „Was zum Teufel hast du mit mir gemacht? Du hast einen verdammten Fisch aus mir gemacht? Kiemen?“
„Sie verschwinden wieder, wenn wir zurück an die Oberfläche kommen.“
„Zurück an die Oberfläche?“
„Ja, zurück nach da oben.“
Michelle blickte in die Richtung, in die er deutete, und bemerkte erst jetzt, dass sie sich bereits unter der Wasseroberfläche befanden. Wie konnte das sein? Sie atmete, redete. Sie hatte nicht einmal gemerkt, wie er sie in die Tiefe gezogen hatte, weil sie so auf ihr Entsetzen über das Erlebte fixiert gewesen war.
„Ich kann atmen.“
Naios lächelte neben ihr.
„Natürlich, Liebes. Du hast Kiemen.“
„Und ich kann sprechen, doch ich bewege meinen Mund nicht.“
„Wir kommunizieren in unseren Gedanken. Das geschieht rein instinktiv.“
Er nahm ihre Hand und zog sie mit sich.
„Wohin … wohin gehen wir. Ich meine, wohin tauchen wir?“
„Ich zeige dir meine Welt. Komm!“
Als sie auf Naios blickte, der etwas unterhalb von ihr schwamm, fiel ihr auf, dass er einen Fischschwanz hatte. Er war eine Meerjungfrau, oder wie nannte man das bei Männern? Meerjungmann? Das war doch verrückt.
Sie hörte ihn lachen.
„Du hast auch einen.“
Michelle blickte an sich hinab und schrie erschrocken auf. Wo zuvor ihre Beine in Jeanshosen gewesen waren, hatte auch sie nun einen funkelnden, silbrigen Fischschwanz.
„Aber ...“
„Der geht wieder weg, genauso wie die Kiemen. Keine Angst. Komm, wir sind fast da.“
Er glitt zielstrebig durch das dunkle Wasser. Michelle konnte kaum etwas ausmachen und hätte sich ohne ihn sicher hoffnungslos verirrt. Doch das Gefühl seines festen Griffs um ihre Hand ließ sie sich sicher fühlen. Auf einmal drehten sie sich und sie verlor die Orientierung, dann tauchten sie aus dem Wasser auf. Waren sie schon wieder an der Oberfläche? Sie dachte, er wollte ihr seine Unterwasserwelt zeigen.
Ein feiner weißer Sandstrand kam in ihr Blickfeld. Sie spürte festen Boden unter den Füßen. Füßen? Ja, sie hatte tatsächlich ihre Beine wieder. Erleichterung erfüllte sie. Sie griff sich hinter das Ohr und spürte nur samtene, glatte Haut.
„Wir sind da“, sagte Naios neben ihr. „Dies ist Aquanien. Mein Reich. Wir sind etwas außerhalb der normalen Route, aber ich kann nicht riskieren, dass man dich sieht. Hier in dieser Bucht ist niemand. Komm.“
Der Strand war etwa zwanzig Meter breit und ging dann in eine Art Wald über, wenn man die großen, pilzähnlichen Gebilde als eine Art Bäume ansehen würde. Zwischen den grünen Riesenpilzen wucherte so etwas wie violetter Riesenfarn. Der Boden war bedeckt mit unzähligen, kleinen Blumen in den verschiedensten Pastelltönen.
Sie gingen am Strand entlang. Es war angenehm warm und … sonnig.
„Wie kommt es, dass ihr Sonne hier unten
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