Namibia
(Homeland-Politik). Die Kriterien waren äußerst widersprüchlich. So wurden die Baster und die Farbigen als zwei Gruppen definiert, obwohl sie den gleichen Ursprung haben und die gleiche Sprache sprechen (Afrikaans). Alle Weißen, egal ob Deutsch, Englisch oder Afrikaans, wurden dagegen als eine Gruppe zusammengefasst. Alle Ovambo, obwohl sie aus acht einzelnen Stämmen bestehen, wurden ebenfalls als eine Gruppe angesehen. Die weißen Politiker bestimmten, was für die schwarzen Einwohner gut und richtig sein sollte. Umwelt, Ahnengräber, Stammesgebiete – all dies war für die Rassenpolitiker völlig uninteressant. Die Infrastruktur wurde im Rahmen der Homeland-Politik enorm ausgebaut.
Die wenigen Selbstbestimmungsrechte, die den Deutschen in SWA in der 25-jährigen Mandatszeit verblieben waren, wurden für nichtig erklärt. Ende der 60er-Jahre war die Annexion Südwestafrikas durch Südafrika de facto Realität. Die Wirtschaft in SWA wurde systematisch zerstört, um SWA vollständig von Südafrika abhängig zu machen.
Der Weg zur Unabhängigkeit
Der gescheiterte Völkerbund hatte bei seiner Auflösung kein „Testament“ gemacht. So meinte Südafrika, SWA gänzlich dem Einfluss der neu gegründeten UNO entziehen zu können. Es erneuerte nach dem Zweiten Weltkrieg sogar seine Annexionsbestrebungen – was von der UNO sofort zurückgewiesen wurde.
Das Gerangel um Südwestafrika war in vollem Gange: die UNO auf der einen Seite, Südafrika auf der anderen Seite, mittendrin die SWAPO und die Einwohner Südwestafrikas. Mit zunehmendem internationalem Druck auf Südafrika in den folgenden Jahren wuchs auch der Einfluss der SWAPO – was schließlich 1990 in die Unabhängigkeit mündete. Es war ein steiniger und zum Teil blutiger Weg.
Von 1950–71 war Südwestafrika immer wieder Gegenstand der Verhandlungen des Internationalen Gerichtshofes in Den Haag. Die UNO forderte Südafrika wiederholt auf, ihr das Treuhandsystem für SWA zu überlassen. 1965 lehnte die UNO-Vollversammlung in einer Resolution den Odendaal-Plan Südafrikas ab. Ein Jahr später sprach sie Südafrika endgültig das Recht als Mandatsmacht ab und beanspruchte die direkte Verantwortung für Südwestafrika. Zwar hatte die Entscheidung keine rechtliche Auswirkung – von Südafrika wurde sie schlicht ignoriert –, jedoch weit reichende politische Folgen. Die SWAPO gründete einen militärischen Arm, die PLAN (People’s Liberation Army of Namibia). 1967 errichtete die UNO-Vollversammlung einen UN-Ratfür Südwestafrika, eine Art „Exilregierung“. Am 26. August 1966, dem heutigen Feiertag „Heroe’s Day“, fand der erste militärische Schlagabtausch zwischen der südafrikanischen Polizei und der SWAPO bei Ongulumbashe im Ovamboland statt. Südafrika erließ strikte Sicherheitsgesetze und formulierte ein neues Terrorgesetz, das es den Behörden noch leichter machte, Aufsässige zu inhaftieren. Immer mehr Regimegegner in Südafrika und SWA wurden „gebannt“ (die südafrikanische Apartheid-Variante des Hausarrests, bei der die Betroffenen ihr eigenes Haus nicht verlassen durften und vielen anderen Einschränkungen unterlagen) oder landeten gleich auf Robben Island, einem Hochsicherheitsgefängnis für politische Häftlinge vor Kapstadt. Dieses Schicksal traf beispielsweise Andimba Toivo ya Toivo, der nach der Unabhängigkeit Minister wurde (im namibischen Ministerroulette wechseln die Kompetenzen ja auch immer mal, Toivo ya Toivo war u. a. Minister für Arbeit und am Ende seiner Amtszeit bis zum Präsidentenwechsel im März 2005 Minister für Justizvollzug und Resozialisierung). Danach rief die SWAPO zum bewaffneten Kampf gegen die Fremdherrschaft auf. In den folgenden Jahren kam es, besonders nach 1981, auch zu Menschenrechtsverletzungen in den eigenen Reihen. Die SWAPO hatte Angst, vom Apartheidsregime infiltriert worden zu sein.
1968 benannte der UN-Sicherheitsrat Südwestafrika „auf Wunsch der Bevölkerung“, wie es in der Erklärung hieß, in Namibia um. Ab 1970 gab es umfassende, weltweite Sanktionen gegen das Apartheidregime. Ein Jahr später formulierte der Internationale Gerichtshof seine historisch entscheidende Weisung: Die südafrikanische Administration in Namibia ist illegal. Damit gab es im Unabhängigkeitskampf auf einmal eine legale Komponente, was ihm enormen Aufschwung verlieh, der internationale Druck auf Südafrika wuchs ebenfalls.
Während vor 1975 der Fluchtweg aus dem südafrikanisch beherrschten Namibia über
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