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Namibische Nächte (German Edition)

Namibische Nächte (German Edition)

Titel: Namibische Nächte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle van Hoop
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der Regenzeit gelandet, in einer sehr kalten Regenzeit, aber es gab keine Regenzeit in Deutschland. Oder ja, es gab sie. Sie dauerte das ganze Jahr.
    Nur selten schien die Sonne. Und selbst wenn sie schien, nahm er sie kaum wahr. Das Licht war dunkel und blass, erhellte nur spärlich die Zimmer der dicht an dicht gebauten Häuser.
    Er hatte immer darauf gewartet, dass dieses Grau in Grau enden würde, dass endlich einmal die Sonne richtig herauskam, aber er hatte umsonst gehofft. Im Winter wurde es sogar noch schlimmer.
    In Namibia war der Winter die Trockenzeit, der Himmel war ein einziges Blau, weil es keine Wolken gab, keinen Regen. In Deutschland war der Winter eine Zeit, die ihm fast das Blut in den Adern gefrieren ließ. Er konnte sich in dicke Pullover und Jacken hüllen, es half nichts.
    Die kalten Nächte, die er aus Namibia kannte, waren nichts dagegen. Denn selbst wenn die Nacht kalt war, konnte man Pullover und Jacken vergessen, sobald die Sonne die Luft erwärmte. Auch an den kältesten Tagen im Juni, an denen es vielleicht höchstens zwanzig Grad warm wurde, schien die Sonne. Das helle Licht überstrahlte alles.
    Er hatte sich oft gefragt, wie die Menschen in Deutschland diese dunklen Tage überstehen konnten, dieses dunkle Leben. Diese Kälte.
    Er konnte es nicht. Sein einziger Lichtblick war Vanessa gewesen. Ihretwegen war er länger in Deutschland geblieben, als er es vorgehabt hatte. Aber dann waren seine Eltern gestorben. So plötzlich, dass er sich nicht darauf vorbereiten konnte.
    Die Auseinandersetzungen mit Vanessa hatten ihn auch zuvor schon sehr mitgenommen. Er wusste einfach nicht, was sie von ihm wollte. Sie schaute ihn dann immer so an, als müsste er es wissen, aber woher? Sie erklärte es ihm nicht. Und selbst, wenn sie versuchte, es ihm zu erklären, verstand er es nicht. Sie ging davon aus, dass er wusste, wovon sie sprach, aber für ihn ergab das alles keinen Sinn.
    Und dabei liebte er sie so. Er konnte kaum von ihr getrennt sein. Sie war wie seine zweite Hälfte, trotz allem, worüber sie sich nicht einigen konnten. Nie zuvor hatte er eine Frau getroffen, die ihm dieses Gefühl vermittelte. Ein wenig war es wie mit den Geparden. Sie konnte etwas, das er nicht konnte, und er konnte etwas, das sie nicht konnte.
    Manchmal, wenn Vanessa in seinem Arm lag, wenn sie glücklich war nach einer liebevollen Nacht, hatte er sich so eins mit ihr gefühlt. Dann wollte er sie mitnehmen in seine Welt, wollte alles hinter sich lassen und mit ihr durch die Savanne ziehen. Allein mit ihr in der Wüste schweigen.
    Aber mit der Zeit wurde ihm klar, dass das für Vanessa nicht in Frage kam. Sie brauchte ihren Computer, ihre Grafikprogramme, ihre Art der Freiheit, die mit seiner nichts gemein hatte. Sie brauchte ein Leben, das er ihr nicht bieten konnte.
    Am deutlichsten war das in jenem letzten Streit geworden. Sie hatten sich gegenseitig so sehr verletzt. Er war nicht stolz darauf, dass er sich nicht hatte beherrschen können, aber sie war ihm vorgekommen wie eine Furie, wie jemand, den er gar nicht kannte. Sie hatte ihm Vorwürfe gemacht, die sein tiefstes inneres Selbst erschütterten. Und dann war es aus ihm herausgebrochen, so ungerecht und gemein, wie er sich in jenem Moment von ihr behandelt fühlte.
    Er sah noch immer ihre Augen vor sich, kurz bevor er gegangen war. So kalt. Und gleichzeitig standen Tränen darin.
    Tränen der Wut hatte er damals gedacht, aber vielleicht hatte er sich geirrt. Vielleicht waren es Tränen der Trauer gewesen.
    Als er nach Hause kam, hatte er den Anruf bekommen. Den Anruf, der alles veränderte. Seine Eltern waren abgestürzt. Sie waren auf dem Weg zu einer Viehauktion im Norden gewesen, in einem Viersitzer. Was genau geschehen war, konnte ihm niemand sagen. Vielleicht war das Flugzeug nicht richtig gewartet worden, vielleicht hatte der Pilot einen Fehler gemacht, vielleicht war ein Sandsturm über sie hereingebrochen. Auf jeden Fall hatte niemand den Absturz überlebt. Sie waren tot.
    Er hatte sich selbst gefühlt, als wäre er gestorben, hatte nur dagesessen und vor sich hingestarrt.
    Da hatte das Telefon erneut geklingelt. Vanessa, hatte er sofort gedacht. Aber es war Isolde gewesen. Sie hatte alles in die Hand genommen und war mit ihm zurück nach Namibia geflogen.
    Wie betäubt hatte er ihr alles überlassen. Sie hatte seine Eltern gekannt, sie konnte seinen Verlust verstehen, sie freute sich, trotz aller Trauer, endlich wieder zurück in Namibia zu sein.
    »Ich

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