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Namibische Nächte (German Edition)

Namibische Nächte (German Edition)

Titel: Namibische Nächte (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michelle van Hoop
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schaute Vanessa an.
    »Lass sie runter«, sagte Kian. »Ich bringe sie zur Schule.«
    »Ich fahre mit.« Vanessa wartete gar nicht auf seine Erlaubnis, sondern setzte sich mit Tuhafeni in den Wagen.
    »Das ist nicht deine Angelegenheit«, sagte er.
    »Ich mache es zu meiner Angelegenheit. Was kann denn das arme Kind dafür, dass ihre Mutter an AIDS gestorben ist?«
    »So denken die Leute hier nicht. Wir verstehen das nicht, aber der Fluch liegt jetzt auf der ganzen Familie. Nur weil Vaanda die mächtigste Medizinfrau weit und breit ist, wird sie verschont. Sie haben Angst, dass sie ihnen noch etwas viel Schlimmeres antun könnte als AIDS.«
    »Meine Güte«, stieß Vanessa hervor, während er losfuhr. »Das ist ja wie im Mittelalter.«
    »Das genau ist es, was die Leute in Europa nicht verstehen: Hier haben zwar alle ein Handy, aber das macht sie noch nicht zu modernen Menschen.«
    »Aber Kaunadodo –«
    Er lachte. Anscheinend hob der Gedanke an Kaunadodo seine Laune. »Ndodo ist ein Stadtmensch. Er könnte nie auf dem Land leben. Er hat mich immer für verrückt erklärt, weil ich das tun wollte.«
    »Das heißt, die Menschen auf dem Land glauben noch an Geister, die in der Stadt nicht?« Alle diese Vorstellungen erschienen ihr sehr fremd.
    »Das würde ich so nicht sagen.« Kian schaute sie an. »Selbst Ndodo glaubt an Dinge, die du dir wahrscheinlich noch nicht einmal vorstellen kannst. Aber er ist in eine europäische Schule gegangen, er hat Medizin studiert, er glaubt ebenso an die Wissenschaft. Und er verachtet seine Landsleute, die noch an Witchcraft glauben. Vielleicht nur, weil er im tiefsten Inneren selbst nicht ganz davon loskommt.«
    Sie fuhren in Richtung Werft, und kurz davor bog Kian auf einen Hof ab. Im hinteren Teil des Hofes stand ein flacher Bau und davor, unter einem einzelnen Baum, spielten ein paar Kinder im Sand.
    Sie kamen sofort angelaufen, als sie Kian sahen. Er sprach kurz mit ihnen und ging dann in das Gebäude hinein.
    Tuhafeni war bei Vanessa geblieben. Sie sah nicht glücklich aus.
    Vanessa stieg aus und hob sie aus dem Wagen. »Komm, Tuhafeni. Du musst zur Schule gehen.«
    Als sie an den Kindern im Hof vorbeigingen, wichen die zurück. Sie schienen Angst vor Tuhafeni zu haben. Einer rief ihr etwas zu, und es klang nicht nett.
    Tuhafeni reagierte nicht, ging nur mit starrem Gesicht neben Vanessa her.
    Als Vanessa mit Tuhafeni an der Hand das Gebäude betrat, sah sie Kian mit einer Frau sprechen, die ein buntes, afrikanisches Kleid trug. Es war jedoch kein Hererokleid wie das von Vaanda. Es wirkte wesentlich einfacher.
    Die Frau sah Kian mit unbewegtem Gesicht an, während er wütend auf sie einsprach. Obwohl er so viel größer war als sie, schien das, was er sagte, sie nicht zu beeindrucken.
    Vanessa ging mit Tuhafeni auf die beiden zu, merkte aber, dass Tuhafeni ihr immer mehr Widerstand entgegensetzte, je näher sie kamen. Sie wollte nicht zu der Frau.
    Mit einem verständnisvollen Lächeln blieb Vanessa stehen. »Keine Angst. Es passiert nichts.«
    Es war offensichtlich, dass Tuhafeni das nicht glaubte.
    Vanessa schaute sich in dem Raum um. Es war ein sehr einfacher Raum, den man kaum mit einem Schulzimmer vergleichen konnte, wie sie selbst es kannte. Es gab ein paar Tische und Stühle, alt und abgenutzt, aber etliche Kinder saßen auch auf dem Boden. Nicht alle schienen etwas zum Schreiben zu haben. Sie saßen einfach nur da und schauten sie mit großen, dunklen Augen an. Genauso, wie sie sie damals angeschaut hatten, als sie mit Isolde von der Werft abgefahren war.
    Es war völlig ruhig im Raum, obwohl die Lehrerin keinen Blick auf die Kinder warf. Niemand kicherte oder warf mit Papierkügelchen, wie sie das aus ihrer eigenen Schulzeit kannte, wenn der Lehrer einmal nicht aufpasste.
    Kian beendete das Gespräch mit der Lehrerin und winkte Tuhafeni. Da Tuhafeni nicht einen Schritt machte, nahm Vanessa sie auf den Arm – sie war furchtbar dünn und leicht – und ging zu Kian und der Lehrerin hinüber.
    »Tuhafeni kann jetzt hierbleiben«, sagte Kian.
    Vanessa blickte in Tuhafenis Gesicht. »Bist du sicher?« Die Frage war allerdings an Kian gerichtet.
    »Ich habe ihr gesagt, wenn sie nicht alle Kinder unterrichtet, werde ich dafür sorgen, dass eine andere Lehrerin kommt. Sie weiß, dass sie dann gehen muss«, sagte Kian.
    »Na gut.« Vanessa setzte Tuhafeni ab und sah, wie die Lehrerin sie mit einem verachtenden Blick bedachte.
    Tuhafeni lief sofort in die hinterste Ecke und

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