Naminé - Liebe Deinen Feind
nieder und durchnässte seine Kleider. Sein kurzes schwarzes Haar klebte an seinem Kopf und seine blauen Augen sahen sich aufmerksam um. Der neunjährige Sias stand in einer Gasse und wartete.
Er wusste, dass bald jemand kommen würde, den er ausnehmen konnte. Er grinste. Der Junge mochte zwar sein Dasein als Straßendieb nicht, aber was blieb ihm anderes übrig?
Seine Eltern waren früh gestorben und er hatte keine Verwandten. Anderes, als das Leben auf der Straße, war für ihn nicht in Frage gekommen.
Ihn fröstelte langsam. Er stand schon zu lange hier im Regen. Sias freute sich schon auf ein warmes Feuer, das in seinem Versteck auf ihn warten würde.
Plötzlich hörte er ein Geräusch. Stiefelschritte. Das Warten hatte sich doch gelohnt! Er presste sich eng an die Hauswand und beobachtete die Gestalt, die immer näher kam.
Als der Mann an ihm vorbeiging, tat er so, als würde er stolpern und hielt sich an dem langen Mantel des Fremden fest. Geschickt löste er den Lederbeutel mit dem Geld und versteckte ihn unter seinem Wams. Es war so einfach…
»Es tut mir leid, mein Herr«, entschuldigte sich Sias und huschte an ihm vorbei. Der Mann rief ihm irgendwelche Verwünschungen nach, dann drehte er sich um und ging seinen Weg weiter. Er hatte nichts bemerkt.
Sias schlenderte auf die Straße, die nun menschenleer war. Er ging in Richtung Kirchplatz. Ab und zu sah er sich um, ob er nicht von irgendjemandem verfolgt wurde. Sias bog um eine Ecke, als ihn jemand am Kragen packte. Kraftvoll wurde er gegen eine Hauswand gepresst.
»So, du kleine Ratte! Gib das Geld her!«, zischte ihm eine bekannte Stimme ins Ohr, während Sias spürte, dass jemanden einen Ellenbogen in seinen Rücken drückte.
Sias schluckte schwer. Es war Uwe, der Älteste der Straßenkinder, der sich als Anführer aufspielte. »Gib mir das Geld und ich lasse dich ziehen!«, forderte der Ältere erneut von ihm und drückte ihn fester gegen die Hauswand. Sias nickte mehrmals und Uwe ließ ihn los.
Kaum spürte der Jüngere den Druck nicht mehr, duckte er sich an Uwe vorbei und rannte los.
»Du Mistkerl! Bleib stehen!«, rief ihm der Ältere nach und er folgte Sias. Sias war kleiner und leichter als er, also auch viel schneller.
Er bog in die nächste Gasse ab und schon hatte er den älteren Jungen abgehängt, doch dort blieb er abrupt stehen als er sah, dass etwas am Boden lag. Sias bremste vor dem Ding ab und ihm wurde schlagartig kalt, als er sah, was dort vor ihm lag. Es war ein Elb!
Seine Augen starrten leer zum Himmel hinauf, während überall Blut an ihm haftete und sich einiges schon in den Ritzen der P flastersteine gesammelt hatte. Sias wich erschrocken zurück, als er die schwarze Rose sah, die die Leiche fest umklammert in der linken Hand hielt. Sias wurde übel und er wich einige Schritte zurück, bis er gegen etwas weiches Warmes prallte.
Verschreckt drehte er sich um und starrte den Mann an. Sias schätzte ihn auf knapp fünfundzwanzig Jahre, vielleicht sogar noch jünger. Er trug schwarze edle Kleidung, verziert mit silbernen Borten. Ein langer dunkler Umhang schützte ihn vor Regen und Wind. Die Augen waren smaragdgrün und glühten förmlich in der Dunkelheit der Nacht.
Sein schwarzes Haar war nass vom Regen. »Hast du dich verirrt, mein Kleiner?«, sprach der unbekannte Mann zu ihm und lächelte breit. Sias‘ Blick huschte zu dem Schwert auf seiner rechten Seite. Der Griff war voller Blut. Frisches Blut. Der kleine Dieb sah ihn unsicher an.
»Ja, mein Herr. Meine Eltern sind vorgegangen und ich habe es nicht bemerkt. Ich bin wohl eine Gasse zu früh abgebogen«, nuschelte er und wollte an dem Elbenjäger vorbei, doch dieser umschloss seine linke Schulter grob.
»Lüg mich nicht an, Knirps! Ich weiß, wer du bist, Sias Straßenjunge. Ich beobachte dich schon eine ganze Weile lang. Eigentlich wollte ich mich nicht so bei dir vorstellen.«
Der Elbenjäger räusperte sich und verneigte sich leicht. »Mein Name ist Efal und wie du bestimmt schon gesehen hast, bin ich Elbenjäger.« Efal richtete sich wieder auf und sah zu Sias hinab. »Ich mache dir einen Vorschlag, mein Kleiner: Ich mache dich zu einem Elbenjäger, was hältst du davon? Du wärest weg von der Straße und würdest dein eigenes Geld mit einem Handwerk verdienen, das nicht so unüblich ist. Du bist klein und flink, das ist sehr gut! Na? Was sagst du?«
Sias sah Efal aus großen blauen Augen an. Weg von der Straße, weg von Uwe und seinen Kumpanen… Was gab
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