Naokos Laecheln
schon länger das Gefühl, daß ich mich eine Weile von dir fernhalten sollte, um mir über einiges klar zu werden.«
»Einiges was?«
»Unsere Beziehung. Ich war inzwischen lieber mit dir zusammen als mit meinem Freund. Das ist doch ein unnatürlicher Zustand, findest du nicht? Natürlich hab ich ihn gern, auch wenn er ein bißchen ichbezogen, engstirnig und faschistoid ist, hat er ein paar gute Eigenschaften. Außerdem ist er der erste, mit dem ich etwas Ernsthaftes hatte. Aber du bist etwas Besonderes für mich. Wenn wir zusammen sind, stimmt für mich alles. Ich habe Vertrauen zu dir, ich mag dich, ich möchte dich nicht verlieren. Damals war ich total verwirrt. Also bin ich zu ihm gegangen und habe ihn ganz offen um Rat gebeten. Wenn ich mich weiter mit dir treffen wolle, müsse ich mit ihm Schluß machen, hat er gesagt.«
»Und?«
»Ich habe mit ihm Schluß gemacht, und mir ist ein Stein vom Herzen gefallen.« Sie steckte sich eine Marlboro in den Mund und zündete sie hinter schützend vorgehaltener Hand an.
»Warum?«
»Warum?!« schrie sie. »Spinnst du? Du kapierst den englischen Konjunktiv und Trigonometrie und liest Marx und verstehst nicht einmal das? Wo ist da überhaupt die Frage? Warum muß ein Mädchen dir so was beantworten? Ich hab dich lieber als ihn. Basta. Natürlich hätte ich es vorgezogen, mich in einen etwas besser aussehenden Jungen zu verlieben, aber was soll’s. Ich habe mich eben in dich verliebt!«
Ich wollte etwas sagen, aber das Wort blieb mir im Halse stecken.
Midori schmiß ihre Kippe in eine Pfütze. »Jetzt mach doch nicht so ein entsetztes Gesicht. Du machst mich ja ganz traurig. Ist schon in Ordnung. Ich weiß, daß du eine andere liebst, und erwarte nichts weiter von dir. Aber kannst du mich wenigstens mal in den Arm nehmen? Es waren nämlich zwei schreckliche Monate für mich.«
Wir umarmten uns hinter dem Spielplatz unter meinem aufgespannten Schirm. Unsere Körper preßten sich aneinander, und unsere Lippen trafen sich. Ihr Haar und der Kragen ihrer Jeansjacke rochen nach Regen. Wie weich und warm so ein Mädchenkörper doch war! Durch ihre Jacke hindurch spürte ich ihre Brüste. Ich hatte das Gefühl, eine Ewigkeit sei vergangen, seit ich den Körper eines anderen Menschen berührt hatte.
»Am Abend von dem Tag, an dem wir uns zuletzt getroffen haben, habe ich mit ihm Schluß gemacht.«
»Ich habe dich sehr lieb«, sagte ich. »Von ganzem Herzen. Ich will dich kein zweites Mal verlieren. Aber ich kann nichts machen – ich bin gebunden.«
»An sie?«
Ich nickte.
»Sag, hast du mit ihr geschlafen?«
»Nur einmal, vor einem Jahr.«
»Und seit damals habt ihr euch nicht gesehen?«
»Doch, zweimal. Aber wir haben nicht zusammen geschlafen.«
»Aber warum denn nicht? Liebt sie dich nicht?«
»Das ist schwer zu sagen. Es ist eine verworrene Geschichte mit vielen Schwierigkeiten. Und weil das alles schon so lange geht, weiß keiner mehr so richtig, was los ist. Ich nicht und sie auch nicht. Aber eins weiß ich. Ich trage in dieser Geschichte als Mensch eine Verantwortung, der ich mich nicht so einfach entziehen kann. So sehe ich das jedenfalls im Augenblick. Auch wenn sie nicht in mich verliebt ist.«
»Ich bin ein Mädchen aus Fleisch und Blut«, sagte Midori, während sie ihre Wange an meinen Hals drückte. »Ich bin in deinen Armen und habe dir gerade eröffnet, daß ich dich liebe. Schlag vor, was wir machen sollen, und ich tu’s. Vielleicht spinne ich ein bißchen, aber eigentlich bin ich ein ehrliches, braves Mädchen, arbeitsam, ganz niedlich, mein Busen ist auch in Ordnung, Kochen kann ich auch, und mein Vater hat mir ein bißchen Geld hinterlassen. Eigentlich eine ganz gute Partie, findest du nicht? Wenn du mich nicht nimmst, tut’s bestimmt ein anderer.«
»Gib mir etwas Zeit«, sagte ich. »Zum Nachdenken, Ordnen, Entscheiden. So leid es mir tut, mehr kann ich jetzt nicht sagen.«
»Aber du liebst mich von ganzem Herzen und willst mich nicht verlieren?«
»Hab ich doch gesagt.«
Midori beugte sich zurück und sah mir lachend ins Gesicht. »Also gut, ich warte, weil ich Vertrauen zu dir habe. Aber wenn du mich nimmst, muß ich die einzige sein. Und wenn du mich umarmst, denkst du nur an mich. Verstehst du, was ich meine?«
»Sehr gut.«
»Du darfst alles mit mir machen, aber du mußt aufhören, mich zu verletzen. Ich habe in meinem Leben genug mitgemacht. Mehr als genug. Ich möchte glücklich werden.«
Ich zog sie an mich und küßte
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