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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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Apartmenthaus hinter dem Inokashira-Park befand. Sein Zimmer war vollgestopft mit Utensilien und Leinwänden für seine Malerei. Ich hätte gern ein Bild von ihm gesehen, aber er genierte sich, mir etwas zu zeigen. Wir tranken von dem Chivas Regal, den er seinem Vater stibitzt hatte, grillten Stinte auf seinem Tonöfchen und lauschten einem Klavierkonzert von Mozart, gespielt von Robert Casadesus.
    Itō stammte aus Nagasaki, wo er auch eine feste Freundin hatte, mit der er schlief, wenn er nach Hause fuhr. Doch in letzter Zeit lief es anscheinend nicht mehr so gut zwischen ihnen.
    »Du weißt ja, wie die Mädchen sind«, klagte er. »Kaum werden sie zwanzig oder einundzwanzig, schon wollen sie Nägel mit Köpfen machen und werden unheimlich realistisch. Und was du einmal süß gefunden hast, wird bitter und deprimierend. Nachdem wir im Bett waren, löchert sie mich seit neustem immer, was ich nach dem Examen vorhätte und so.«
    »Und was hast du vor?« fragte ich.
    Den Mund voll Fisch schüttelte er den Kopf. »Was soll ich schon groß vorhaben? Ich studiere Ölmalerei. Das ist eine brotlose Kunst. Wenn man Geld verdienen will, darf man mit der Malerei gar nicht erst anfangen. Sie möchte, daß ich in Nagasaki Kunst unterrichte. Sie selber wird Englischlehrerin. Du liebe Güte!«
    »Du machst dir nicht mehr so viel aus ihr?«
    »Scheint so«, gab Itō zu. »Außerdem will ich nicht Kunstlehrer werden. Soll ich vielleicht bis zu meinem Lebensende kreischenden, halbwüchsigen Affen beibringen, wie man ein Bild malt?«
    »Solltest du dann nicht lieber mit ihr Schluß machen? Euch beiden zuliebe?«
    »Ganz deiner Meinung, aber ich weiß nicht, wie ich’s ihr beibringen soll. Sie möchte mit mir zusammenbleiben. Ich kann doch nicht sagen: ›Los, wir trennen uns, ich liebe dich nicht mehr‹, oder?«
    Wir tranken unseren Chivas pur und ohne Eis. Als wir keine Stinte mehr hatten, schnitten wir Gurken und Sellerie in Streifen und stippten sie in Miso. Bei dem krachenden Geräusch, das beim Kauen der Gurken entstand, mußte ich an Midoris Vater denken, was mich wiederum daran erinnerte, wie fad mein Leben geworden war, seit Midori nicht mehr darin vorkam. Meine Stimmung sank. Ohne daß ich es bemerkt hatte, hatte Midori sich einen festen Platz in meinem Leben erobert.
    »Hast du eine Freundin?« fragte Itō.
    Ich bejahte, fügte aber gleich hinzu, daß wir aufgrund besonderer Umstände zeitweilig getrennt seien.
    »Aber ihr versteht euch?«
    »Das hoffe ich. Sonst hätte es ja keinen Sinn«, sagte ich.
    Er sprach leise über die Größe Mozarts, den er in- und auswendig kannte, wie ein Junge aus dem Gebirge die Bergpfade kennt. Sein Vater liebte Mozart und hatte ihn von seinem dritten Lebensjahr an in Mozarts Musik eingeführt. Ich war nicht so bewandert in klassischer Musik, aber seine tiefempfundenen Bemerkungen zu diesem Klavierkonzert – »Horch! An dieser Stelle…« und »Wie gefällt dir das?« – ließen ein Gefühl der Entspannung in mir aufkommen, wie ich es schon lange nicht mehr erlebt hatte. Wir betrachteten die Mondsichel über den Bäumen des Inokashira-Parks und tranken den Chivas Regal bis zum letzten Tropfen aus. Er schmeckte köstlich.
    Itō lud mich ein, über Nacht zu bleiben, aber ich lehnte ab, bedankte mich für den Whiskey und brach noch vor neun Uhr auf. Auf dem Nachhauseweg rief ich von einem Telefonhäuschen Midori an. Sie war sogar am Apparat.
    »Entschuldige, aber ich möchte jetzt nicht mit dir sprechen«, sagte sie.
    »Ich weiß, ich hab’s jetzt oft genug gehört, aber ich möchte nicht, daß unsere Freundschaft so endet. Du gehörst zu den ganz wenigen Menschen, mit denen ich befreundet bin, und es tut mir weh, mich nicht mit dir treffen zu dürfen. Sag mir doch wenigstens, wann ich wieder mit dir reden kann.«
    »Wenn ich wieder mit dir reden möchte, dann.«
    »Geht’s dir gut?« fragte ich sie.
    »Ja«, sagte sie und legte auf.
    Mitte Mai erhielt ich einen Brief von Reiko.
    »Vielen Dank, daß Sie so oft geschrieben haben. Naoko hat sich sehr über Ihre Briefe gefreut und sie mir auch zu lesen gegeben. Das war Ihnen doch hoffentlich recht?
    Es tut mir leid, daß ich Ihnen so lange nicht schreiben konnte. Um ehrlich zu sein, war ich zu erschöpft. Dazu kommt, daß ich keine guten Nachrichten für Sie habe. Naokos Befinden hat sich inzwischen nicht gebessert. Kürzlich ist ihre Mutter aus K ō be eingetroffen, um sich mit dem Facharzt zu beraten. Wir hatten ein langes Gespräch zu

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