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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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bestimmten schwerwiegenden Gründen könne ich nicht heiraten. Da er darauf bestand, die Gründe zu erfahren, sagte ich ihm alles, rückhaltlos und in allen Einzelheiten – daß ich schon zweimal wegen psychischer Zusammenbrüche in einer Nervenklinik gewesen war, die Ursachen, meine Befindlichkeit und daß es wieder passieren konnte. Er bat um etwas Bedenkzeit, und ich riet ihm, sehr lange nachzudenken. Doch als er eine Woche später zu seiner Stunde kam, erklärte er, er wolle mich dennoch heiraten. Ich schlug ihm vor, drei Monate zu warten, damit wir uns besser kennenlernen könnten. Wenn er mich danach immer noch heiraten wolle, würden wir die Sache in Betracht ziehen.
    In diesen drei Monaten trafen wir uns einmal in der Woche, unternahmen vieles gemeinsam und sprachen über alles. Ich gewann ihn sehr lieb, denn wenn ich mit ihm zusammen war, hatte ich das Gefühl, das Leben sei in mich zurückgekehrt. Ich empfand es als wunderbar erleichternd, mit ihm zusammen zu sein: all die furchtbaren Dinge, die geschehen waren, konnte ich vergessen. Na und – dann war ich eben in Heilanstalten gewesen und nicht Pianistin geworden. Davon ging doch die Welt nicht unter. Mit einemmal hielt das Leben noch unzählige, unbekannte Wunder für mich bereit. Ich war ihm von ganzem Herzen dankbar, allein schon für mein wiedergefundenes Leben. Als die drei Monate vergangen waren, wiederholte er seinen Antrag. Da sagte ich zu ihm: ›Wenn du mit mir schlafen möchtest, können wir das auch unverheiratet tun. Ich habe noch nie mit jemandem geschlafen, aber ich mag dich sehr und hätte überhaupt nichts dagegen. Aber eine Ehe ist doch etwas anderes. Damit würdest du dir all meine Probleme aufhalsen, und die sind viel ernster, als du es dir vorstellen kannst.‹
    Das mache ihm nichts aus, sagte er. Er wolle auch nicht nur mit mir schlafen, sondern mich heiraten und alles mit mir teilen. Und er meinte es wirklich ernst. Er gehörte zu den wenigen Menschen, die nur sagen, was sie auch meinen, und immer Wort halten. Also willigte ich ein, was hätte ich sonst tun sollen? Wann haben wir noch geheiratet – ich glaube, vier Monate später. Um meinetwillen entzweite er sich mit seinen Eltern, die ihn prompt enterbten. Er stammte aus einer alten Gutsbesitzerfamilie auf Shikoku. Seine Familie hatte Nachforschungen über mich angestellt und herausgefunden, daß ich zweimal in einem Sanatorium gewesen war. Kein Wunder, daß sie gegen eine solche Heirat waren. Wegen dieser Unstimmigkeiten verzichteten wir auf eine Hochzeitsfeier. Wir gingen einfach zum Standesamt und fuhren anschließend für zwei sehr glückliche Tage nach Hakone. So bin ich bis zu meinem Hochzeitstag Jungfrau geblieben – da war ich fünfundzwanzig Jahre alt! Kaum zu glauben, was?«
    Seufzend griff Reiko wieder nach dem Basketball.
    »Ich war sicher, bei ihm würde ich gesund bleiben«, fuhr Reiko fort. »Solange er nur bei mir war, konnte mir nichts Böses widerfahren. Bei psychischen Erkrankungen wie unseren sind Vertrauen und Zuversicht das Wichtigste. Durch ihn würde alles gut werden. Wenn mein Zustand sich auch nur eine Spur verschlechterte, wenn die Sicherung zu schmoren begann, würde er es sofort merken und alles mit größter Sorgfalt und Geduld reparieren – die Sicherung festschrauben und sämtliche wirren Drähte ordnen. Diese Art von Vertrauen hält die Krankheit fern. Ich war wie befreit und fand das Leben herrlich. Wie soll ich das beschreiben? Es war, als hätte mich jemand aus einem tosenden, eisigen Meer gerettet, in Decken gehüllt und in ein warmes Bett gepackt. Zwei Jahre nach unserer Hochzeit bekamen wir ein Kind. Nun hatte ich wirklich alle Hände voll zu tun und vergaß beinahe meine Krankheit. Ich stand morgens auf, erledigte die Hausarbeit, kümmerte mich um die Kleine und hatte das Essen auf dem Tisch, wenn mein Mann abends nach Hause kam. Es war ein gleichförmiges Leben, aber ich war glücklich. Wahrscheinlich war das sogar die glücklichste Zeit meines Lebens. Wie lange sie anhielt? Zumindest, bis ich einunddreißig wurde. Und dann – Peng – gab es wieder diesen Knall, und ich brach zusammen.«
    Reiko zündete sich eine Zigarette an. Inzwischen hatte sich der Wind gelegt, so daß der Rauch gerade in die Höhe stieg, bis er sich im Dunkel der Nacht verlor. Da erst fielen mir die unzähligen Sterne auf, die am Himmel leuchteten.
    »Gab es einen Anlaß?« fragte ich.
    »Ja, schon«, erwiderte Reiko, »ein höchst unseliges Zusammentreffen. Es

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