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Naokos Laecheln

Naokos Laecheln

Titel: Naokos Laecheln Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Haruki Murakami
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war wie eine Grube, in die ich hineinstolperte, eine Falle, die auf mich lauerte. Noch heute laufen mir kalte Schauer den Rücken hinunter, wenn ich nur daran denke.« Sie rieb sich mit der freien Hand die Schläfe. »Aber ich rede ja ständig nur von mir, dabei sind Sie doch wegen Naoko gekommen.«
    »Aber ich würde gern noch mehr hören«, sagte ich. »Ich meine, wenn es Ihnen nichts ausmacht, mir die Geschichte zu Ende zu erzählen.«
    »Als unsere Tochter in den Kindergarten kam, fing ich wieder an, ein bißchen Klavier zu spielen. Nur so für mich. Ich begann mit kurzen Stücken von Bach, Mozart oder Scarlatti. Nachdem ich so lange ausgesetzt hatte, war meine Virtuosität natürlich dahin. Und meine Finger waren nicht mehr so beweglich wie früher. Aber ich genoß es, wieder am Klavier zu sitzen. Mir wurde bewußt, wie sehr ich Musik liebte und wie sie mir gefehlt hatte. Nur für sich selbst musizieren zu können, ist etwas Wundervolles.
    Ich hatte, wie gesagt, schon mit vier Jahren angefangen, Klavier zu spielen, aber erst jetzt wurde mir klar, daß ich niemals für mich selbst gespielt hatte. Es war ständig nur darum gegangen, Prüfungen zu bestehen, vorzuspielen oder jemanden zu beeindrucken. Natürlich sind das wichtige Etappen auf dem Weg zur Beherrschung eines Instruments, aber von einem bestimmten Alter an muß man auch Genuß am eigenen Spiel empfinden – das erst ist Musik. Um zu dieser Erkenntnis zu gelangen, hatte ich mein elitäres Studium aufgeben und fast zweiunddreißig Jahre alt werden müssen. Wenn ich meine Tochter in den Kindergarten gebracht hatte, erledigte ich huschdiwusch die Hausarbeit und setzte mich für ein, zwei Stunden ans Klavier, um meine Lieblingsstücke zu spielen. So weit, so gut, nicht wahr?«
    Ich nickte.
    »Eines Tages jedoch suchte mich eine Dame aus der Nachbarschaft auf, die ich eigentlich nur vom Sehen kannte, und bat mich, ihrer Tochter Klavierstunden zu geben. Die Familie wohnte zwar in unserem Viertel, aber nicht in der Nähe, daher kannte ich das Mädchen nicht, aber wie die Mutter sagte, kam es oft an unserem Haus vorbei und hörte mich spielen. Ihre Tochter bewundere mich und habe mich auch schon einmal auf der Straße gesehen. Das Mädchen war in der achten Klasse und hatte bereits Unterricht bei verschiedenen Lehrerinnen gehabt, aber irgend etwas war immer schiefgelaufen, so daß sie jetzt gar keine Stunden mehr nahm.
    Ich lehnte ab und erklärte der Mutter, gegen eine Anfängerin hätte ich nichts einzuwenden gehabt, aber nach einer so langen Pause sei es mir nicht möglich, eine Schülerin zu unterrichten, die schon mehrere Jahre Unterricht gehabt habe. Außerdem sei ich mit der Erziehung meines eigenen Kindes zu beschäftigt. Natürlich sagte ich der Mutter nicht, daß es mir zu mühsam war, ein Kind zu unterrichten, das ständig die Lehrer wechselte. Schließlich flehte mich die Frau geradezu an, ihre Tochter doch wenigstens einmal kennenzulernen. Die Dame war sehr hartnäckig und ließ sich partout nicht abweisen, also willigte ich ein, mich einmal, aber wirklich nur einmal, mit ihrer Tochter zu treffen. Drei Tage später stand das Mädchen ohne ihre Mutter vor meiner Tür. Sie war schön wie ein Engel. Wissen Sie, so eine ätherische Schönheit. Nie zuvor hatte ich – und habe ich seitdem – ein so schönes Mädchen gesehen. Sie hatte langes, glattes Haar, schwarz glänzend wie frisch geriebene Tusche, schlanke, anmutige Gliedmaßen, strahlende Augen, und ihr zierlicher Mund wirkte wie gerade erst modelliert. Ihr Anblick verschlug mir einen Moment lang den Atem, so überirdisch schön war sie. Als sie auf der Couch Platz nahm, verwandelte sich mein Wohnzimmer in einen prächtigen Salon. Ich war von ihr so geblendet, daß ich blinzeln mußte. Ich sehe sie noch immer genau vor mir.«
    Reiko kniff einen Moment die Augen zusammen, als sähe sie das Mädchen wirklich vor sich.
    »Wir tranken Kaffee und plauderten länger als eine Stunde miteinander – über Musik und die Schule. Ich merkte sofort, daß sie gescheit war, ein Gespräch führen konnte, einen scharfen Verstand besaß und die Gabe hatte, ihr Gegenüber in ihren Bann zu ziehen, beängstigend stark sogar. Was so beängstigend an ihr war, wußte ich zunächst nicht. Ich spürte nur instinktiv eine gefährliche Intelligenz. Im Gespräch mit ihr kam mir mein sonstiges Urteilsvermögen abhanden. Ich war von ihrer Jugend und Schönheit derart überwältigt, daß ich mir im Vergleich zu ihr minderwertig

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