Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
weil Dad und Mom gern ihre Wohnung direkt unter uns dazugekauft hätten. Sie wollten einen Durchbruch machen und dann hätten wir eine große Wohnung auf zwei Stockwerken gehabt. Ich bin Elys Müttern ganz persönlich dankbar. Denn mit Moms Menopausen-Plan, eine ganze Brut besonders pflegebedürftiger Babys aus Mazedonien oder irgendeinem anderen Krisengebiet dieser Welt zu adoptieren, sobald Bruce und ich erst mal aus dem Haus wären, konnte ich mich nie anfreunden. Meine Mom bricht in Heulkrämpfe aus, wenn die Verkäuferinnen bei Bendel sie nicht erkennen. Ich glaube nicht, dass sie den Druck verkraften würde.
»Heinz Varieties!« Der andere Bruce von der Gegenpartei ist ganz nah dran. Ich spüre es. Er hat gerade die Nummer 57 auf seiner Karte durchgestrichen. Wie ein so netter und nichtssagender Junge in die Naomi & Ely-Falle hineingeraten konnte, ist mir ein Rätsel. Ich meine, Ely ist scharf, aber nicht so scharf - außer wenn er mir einen scharfen Preis für meinen alten »The X-Men vs. The Avengers«-Comic, Heft Nr. 1, bietet.
Wenn der andere Bruce vor mir Bingo schafft, macht mich das unglücklich. Ich frage mich, wie er sich wohl fühlt, wenn er mal mit Naomi und Ely im Aufzug feststeckt. Zwischen Naomi und Ely herrscht ein so frostiges Klima und eisiges Schweigen, dass sogar Iceman und Emma Frost frieren würden.
Mein Bruce deutet auf die gerade erst für mich gelieferte Burger-&-Fritten-Ration. Essen ist an den Bingo-Tischen streng verboten, aber weil ich hier nicht nur die Spielleiterin bin, sondern außerdem die Computerprobleme fast aller Hausbewohner löse und deshalb über sämtliche schmutzigen Details ihrer Online-Porno-Passionen, ihrer Spielsucht oder ihrer illegalen Musik-Downloads Bescheid weiß, wagt es niemand, mich darauf hinzuweisen.
»Willst du deine Pommes nicht essen?«, fragt mein Bruce.
»Nein.«
»Kann ich sie dann haben?«
»Nein.« Ich schiebe die Packung noch weiter weg, damit er nicht rankommt.
Mrs Loy ruft: »Man Alive!«
Die blöde Ablenkung mit den Fritten durch meinen Bruder führt dazu, dass Bruce der Andere vor mir die Zahl 5 auf seiner Karte findet und »Bingo!« ruft. Ich bin wütend. Der andere Bruce freut sich. Er wedelt mit seiner Karte durch die Luft. Grinst. Dann dreht er sich zu Ely und sie küssen sich kurz. Um das zu feiern. Nicht auf die Lippen, und schon gar kein Zungenkuss - nur ein flüchtiger Kuss auf die Wange, aber für Naomi reicht das schon. Ich möchte wetten, dass es viel verletzender ist, wenn dein Ex-bester-Freund dir deinen Freund klaut und daraus dann womöglich die große Liebe wird, als wenn du beide wegen einer kurzen Affäre verlierst. Sie täte mir sogar richtig leid, wenn sie da nicht meinen Bruder mit reinziehen würde, der sich jetzt wieder falsche Hoffnungen macht. Naomi sieht aus, als wollte sie sich gleich in den Terrigen-Nebel stürzen. Für alle, die sich im Universum der Marvel-Comics nicht so gut auskennen: Es handelt sich dabei um eine mutagene oder Mutationen auslösende Substanz, die von dem Wissenschaftler Randac entdeckt wurde. Sie ist so wirkungsvoll, dass sie bei egal welchem lebendigen Organismus, der ihr ausgesetzt ist, eine Mutation herbeiführt.
Naomi antwortet auf den Kuss, indem sie sich bedrohlich und demonstrativ meinem Bruce zuwendet. Sie legt ihre Hand um seinen Hals, zieht ihn zu sich heran, und wusch, wieder einmal hat mein Bruder alles vergessen, was unsere Eltern uns über Safer Sex und abstoßende öffentliche Liebesbezeugungen erzählt haben. Igittigitt... Ich hätte ihm meine Fritten geben sollen, vielleicht hätte das seinen Mund verstopft, dann hätte es darin keinen Platz mehr gegeben für ihr Zungenspiel, geöffnete Lippen auf geöffneten Lippen.
Okay. Das war’s. Ich hab jetzt genug davon. Ich habe eine Runde Bingo verloren, bei der mir nur noch so viel zum Gewinn fehlte, und mein Bruder hat sich jetzt zum letzten Mal in aller Öffentlichkeit so ekelhaft benommen. Mr McAllister händigt uns neue Bingo-Karten aus. Aber ich werde die nächste Runde opfern, um diesem Unsinnswettkampf ein für alle Mal ein Ende zu bereiten.
»NAOMI!«, sage ich.
Sie hat meinen Bruder bereits vergessen, als sie ihre Lippen von seinen Lippen löst und sich vorbeugt, um eine Fritte aus meiner Packung zu fischen.
»Was ist, Kelly?«, fragt sie, das Pommesstäbchen in den Ketchup tunkend, bevor sie davon abbeißt.
Bruce sitzt zwischen uns, aber ich spreche mit ihr, als wäre er nicht da. Ich glaube, sogar als wir
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