Naomi & Ely - die Freundschaft, die Liebe und alles dazwischen
noch zusammen im Bauch unserer Mutter waren, war das die beste Methode, mit ihm zurechtzukommen - ihn einfach nicht weiter zu beachten. Und wenn sich jetzt auch noch in der Post-Kontaktmit-Naomi-Phase sein Ding in der Hose regt, sodass ich es voll mitkriege, schmeiß ich ihn aus dem Bingo-Spiel raus und werd ihn von nun an nie mehr beschützen. Jungs sind... so... überflüssig.
»Naomi«, sage ich. »Wie würdest du dich fühlen, wenn jemand, den du magst, dir nur so zum Spaß vorgaukeln würde, ihr hättet eine Beziehung miteinander, obwohl das nicht der Fall ist?«
Ich weiß, dass ich manchmal taktvoller sein sollte, aber offensichtlich bin ich nicht die Einzige, die Naomis Verhalten beobachtet hat. Alle an unserem Tisch wenden sich einen Augenblick von Mrs Loy ab, um Naomis Reaktion mitzubekommen. Naomi ist wie ein Pulverfass kurz vor der Explosion. Eine Rogue, die gleich losbrechen wird. Und niemand will sich das entgehen lassen. Sie ist... so... überreif.
Naomi scheint tatsächlich über meine Frage nachzudenken. Das muss ich ihr lassen. Sie blickt zu Ely und dem anderen Bruce, die auf ihre Bingo-Karten starren, soll bloß keiner auf die Idee kommen, dass es sie interessiert, ob Naomi mit meinem Bruder rumknutscht oder nicht. Noch mal: igitt.
»Du hast recht«, antwortet Naomi.
Schon fast gespenstisch, wie schön sie ist - ihre haselnussbraunen Augen wirken noch geheimnisvoller und verführerischer von all den Tränen, die sie in der letzten Zeit geweint hat. Alle bewundern ihre Schönheit, als sie von unserem Tisch aufsteht. Sie trägt tief (sehr tief) sitzende Hüftjeans mit einem engen (sehr engen) T-Shirt, auf dem »THE ABE FROMAN EXPERIENCE« zu lesen ist, und im Bauchnabel ihres nackten Bauchs schimmert ein neuer Ring, bei dem allen Möchtegem-Fahrstuhl-Liebhabern von Naomi das Wasser im Mund zusammenläuft. Sie sieht auf meinen sitzenden Bruce herab.
»Du weißt, dass ich dich mag, Bruce. Aber nicht so, wie du das gerne hättest. Verführerin sein ist auf die Dauer ziemlich anstrengend und ich fühl mich zurzeit wahnsinnig erschöpft. Du musst versuchen, über mich hinwegzukommen, Bruce. Hörst du? Schau nach vorne. Und Kelly, vielen Dank, dass du Bruce und mich von diesen endlosen Wiederholungen erlöst hast. Du bist ein braves Mädchen, und ich hoffe, du schaffst es irgendwann nach Harvard. Wirklich, das tu ich. Denn ich weiß ganz genau, was du meinst, und die Antwort ist, es fühlt sich scheiße an, und du hast recht, ich sollte das jemand anders nicht antun.«
Ich kann es nicht fassen, dass diese verlogene Braut wirklich zu ernstem und aufrichtigem Mitgefühl fähig ist. Aber ich glaube nicht, dass sie uns allen nur was vormacht. Ich glaube, ihr haben sich tatsächlich gerade die Augen geöffnet, und ich hab dabei etwas nachgeholfen. Ich glaube, durch ihre Krise hat sie eine neue Richtung gefunden. Hof fentlich eine bessere.
Man kann sich jedoch sicher sein, dass Ely sie nicht so einfach davonkommen lässt. Diese verlogene Braut bringt es einfach nicht fertig, Naomi einen Augenblick anständigen Benehmens zu gönnen. Er muss ihn kaputt machen. Er dreht sich zu dem anderen Bruce und platziert einen Kuss auf seine Lippen, und zwar diesmal einen tiefen, langen Kuss. Sogar die Lesbenliga erstarrt. Bruce der Andere wirkt so, als würde er am liebsten im Boden versinken. Man erzählt sich, vor der Sache mit Ely hat er noch nicht mal gewusst, dass er schwul ist. Und Ely, darauf ist bei ihm Verlass, treibt es wie immer zu weit. Und er wird auch seinen neuen Freund viel zu früh in die Welt hinaustreiben - raus aus dem Verborgenen, rein in die flimmernde, glitzernde Welt des Glücksspiels in der West Ninth Street. Bingo!
Naomi sagt: »Ich hab’s jetzt kapiert. Ely war meine große Lüge.« Und dann verkündet sie mit lauter Stimme, die Augen zur Decke hebend, als wolle sie Gott anrufen, aber gnade dir Gott, jeder Bingo-Spieler in dem Raum weiß ganz genau, an wen ihre Worte gerichtet sind: »UND DER STARBUCKS AN DER SIXTH/ECKE WAVERLY GEHÖRT MIR!«
Und nachdem sie so gesprochen hat, rennt Naomi aus dem Raum. Durch das Glasfenster in der Tür zu unserem Mehrzweckraum sehe ich, dass draußen Gabriel steht. Darauf wartet, sie zu trösten. Was zu einem noch viel größeren Skandal führen könnte als die Trennung von Naomi und Ely.
Naomis verführerische Umtriebe mit meinem Bruder haben mich mit Hass erfüllt, aber ihre neue Wahrheitssuche erfüllt mich mit Sorge.
Naomi
AUGENBLICKE
Ich halt das
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