Napoleon Bonaparte. Biographie.
Puls schlug in der Minute hundertmal, und der Kaiser verfiel in ein Delirium. Das war der Anfang des Todeskampfes, der aber auf Augenblicke unterbrochen wurde. In diesen kurzen Augenblicken des Bewußtseins kam Napoleon unaufhörlich auf die Weisung zurück, die er dem Arzte Antomarchi gegeben hatte: »Nehmen Sie sorgfältig,« sagte er zu ihm, »die anatomische Untersuchung meines Körpers vor und namentlich des Magens. Die Ärzte in Montpellier haben mir mitgeteilt, daß die Krankheit am Magenpförtner in meiner Familie erblich sei, ihr Bericht ist, wie ich glaube, in Ludwigs Händen. Fordern Sie ihn, vergleichen Sie ihn mit dem. was Sie selbst beobachtet haben; möchte ich wenigstens mein Kind vor dieser fürchterlichen Krankheit bewahren können! ...«
Die Nacht war ziemlich gut; aber am folgenden Morgen zeigte sich das Delirium mit erneuter Gewalt. Gegen 8 Uhr jedoch verlor es ein wenig an Kraft; gegen 3 Uhr kam der Kranke wieder zur Besinnung. Er benutzte sie. um seine Testamentsvollstrecker zu berufen, und empfahl ihnen, falls er vollständig das Bewußtsein verlieren sollte, keinen andern englischen Arzt sich ihm nähern zu lassen als den Doktor Arnott. Dann fügte er bei ganz klarem Bewußtsein und mit der ganzen Stärke seines Geistes hinzu:
»Mein Tod ist nahe; ihr werdet nach Europa zurückgehen; ich muß euch einige Ratschläge darüber geben, wie ihr euch verhalten sollt. Ihr habt meine Verbannung geteilt, ihr werdet meinem Andenken treu sein, ihr werdet nichts tun, um es zu verletzen. Alle Grundsätze (einer freien Staatsverfassung) habe ich angenommen und habe sie meinen Gesetzen, meinen Werken eingeprägt, es gibt keinen, den ich nicht heilig gehalten hätte. Unglücklicherweise waren die Umstände ungünstig; ich war gezwungen, mit Strenge zu verfahren und zu vertagen. Da kam das Unglück; ich habe den Bogen nicht entspannen können, und Frankreich ist um die freiheitlichen Einrichtungen, die ich ihm geben wollte, gekommen. Es beurteilt mich mit Nachsicht, es legt meine guten Absichten in die Wagschale, mein Name, meine Siege sind ihm teuer. Folgen Sie seinem Beispiel! Bleiben Sie den Ansichten treu, die Sie verteidigt, wie dem Ruhme, den wir erworben haben! Sonst gibt es nur Schande und Verwirrung!«
Am Morgen des fünften hatte das Übel den höchsten Grad erreicht, das Leben des Kranken war nur noch ein keuchendes und schmerzhaftes Hinsiechen; das Atmen wurde immer schwächer, die weitgeöffneten Augen waren starr und glanzlos, und einige unbestimmte Worte, das letzte Aufwallen seines verwirrten Geistes, erstarben von Zeit zu Zeit auf seinen Lippen. Das Letzte, was man vernehmen konnte, war: »Tête!« und »Armee!« Dann erstickte die Stimme, aller Geist schien erstorben, und der Arzt selbst glaubte, daß die Lebenskraft gewichen sei. Indessen hob sich der Puls gegen acht Uhr wieder, der Todesbann, der den Mund des Sterbenden schloß, schien zu weichen, und einige tiefe und hohle Seufzer entstiegen seiner Brust. Aber um halb elf Uhr war der Puls verschwunden, und einige Minuten nach elf Uhr hatte der Kaiser aufgehört zu leben ...
Zwanzig Stunden nach dem Tode seines erlauchten Kranken schritt der Arzt Antomarchi zur Öffnung des Leichnams, wie es ihm Napoleon oft empfohlen hatte. Dann nahm er das Herz heraus, das er den erhaltenen Weisungen gemäß in Weingeist legte, um es Marie Luise zu übergeben. Aber in demselben Augenblicke stellten sich unvermutet die Testamentsvollstrecker ein, mit der Erklärung Sir Hudson Lowes, daß er weder den ganzen Körper noch einen Teil davon von St. Helena entfernen lassen werde, er müßte auf der Insel bleiben. So wurde der Leichnam an das Schafott genagelt. Jetzt wandte man sich der Wahl eines Begräbnisplatzes für den Kaiser zu und entschied sich für einen Ort, den Napoleon nur einmal gesehen hatte, von dem er aber immer mit Wohlgefallen redete. Sir Hudson Lowe gab seine Zustimmung dazu; das Grab an diesem Orte anzulegen.
Nach der Sektion nähte Doktor Antomarchi die zerschnittenen Teile wieder zusammen, wusch den Körper und übergab ihn dem Kammerdiener, der ihn mit dem gewöhnlichen Anzug des Kaisers bekleidete, das heißt mit Beinkleidern von weißem Kaschmir, weißseidenen Strümpfen, langen steifen Stiefeln mit kleinen Sporen, weißer Weste, weißer Halsbinde, die mit einer schwarzen überzogen und hinten zugeschnallt war, mit dem Rock eines Obersten der Gardejäger, geziert mit den Orden der Ehrenlegion und der
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