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Narben

Narben

Titel: Narben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Kellerman
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Summe gefordert, deshalb hätte er David beauftragt, ihn in einem Motel zu erschießen.«
    »Warum hätte er Ihnen davon erzählen sollen?«
    »Um mich reinzuziehen! Genau so, wie er mich in die Sache mit Karen reingezogen hatte. Und um mir Angst zu machen. Es hat funktioniert, das können Sie mir glauben. Er hat mir eine Höllenangst eingejagt. Ich nahm das erste Flugzeug nach England. Deshalb kann ich auch beweisen, daß ich weg war, als es passierte. Ich hab meinen alten Paß noch. Sie können sich den Stempel ansehen und das Datum vergleichen.«
    »Wie lange waren Sie weg?«
    »Zwei Wochen.«
    »Wo waren Sie in England?«
    »Bei meiner Mutter in Manchester, doch sogar da machte Curtis mich ausfindig. Er schickte mir einen Zeitungsausschnitt über den Mord an Barnard, und ein paar Monate später ließ er David umbringen.«
    »Von wem?«
    »Das weiß ich nicht.«
    »Woher wissen Sie dann, daß Ape dahintersteckte?«
    »Weil er mir auch davon einen Zeitungsartikel schickte. Er ist ein Ungeheuer.«
    »Zu Ihnen war er offenbar recht großzügig, wenn man Ihre Karriere betrachtet.«
    »Ja, aber ich wußte nie, warum er es tat und wann es enden würde. Ich wußte, ich konnte ihm nicht entkommen, also hielt ich den Mund und machte meine Arbeit. Erst jetzt erkenne ich, wofür er mich benutzt hat.«
    »Wofür meinen Sie?«
    »Ist das nicht offensichtlich? Als Sündenbock natürlich. Damit er alles auf mich abschieben kann, wenn es herauskommt.«
    »Ein Sündenbock wollen Sie sein? Und was ist mit der Säge und den Müllsäcken in Ihrem Wagen?«
    Graydon erstarrte. Dann beugte er sich zu Milo vor. Stratton wollte ihn zurückhalten, doch er winkte ab.
    »Verstehen Sie immer noch nicht? Ich lebe seit einundzwanzig Jahren in Angst und Schrecken. Deshalb habe ich es gemacht. Ich hatte Angst.«

47
    Wir hatten noch dreißig Stunden. Nach einem gräßlichen Imbiß in einem chinesischen Restaurant an der Hill Street saß ich allein in dem Zimmer, von dem aus ich das Verhör beobachtet hatte.
    Apes Anwalt war ein älterer Herr in einem maßgeschneiderten grauen Anzug, fett und behäbig, mit den Augen eines schläfrigen Hundes. MacHenny hatte es zwar geschafft, Ape aus der Gefängniskluft zu bekommen, doch auch im weißen Kaschmirpulli sah er müde und abgespannt aus.
    Leah saß ihnen zusammen mit ihrem Chef gegenüber, einem gefährlich aussehenden Staatsanwalt namens Stan Bleichert.
    MacHenny grunzte, und Ape nahm ein Blatt Papier vom Tisch und begann zu lesen.
    »Mein Name ist Curtis Roger Ape. Ich werde eine Aussage verlesen, die ich selbst verfaßt habe, freiwillig und ohne Zwang, mit Hilfe meines Anwalts, Mr. Landis J. MacHenny von der Firma MacHenny, Bellows, Caville und Shrier. Mr. MacHenny ist anwesend, um mir moralischen Beistand zu leisten.«
    Er räusperte sich und schaute kurz in die Videokamera.
    »Ich bin kein Mörder, noch bin ich je einer gewesen. Ich bin jedoch, ohne selbst gegen das Gesetz verstoßen zu haben, in den Besitz von Informationen gelangt, die zur Verurteilung anderer Personen führen könnten, welche des vorsätzlichen Mordes schuldig sind. Ich bin bereit, derartige Informationen zur Verfügung zu stellen, falls mir im Gegenzug eine sofortige Haftentlassung - gegen angemessene Kaution - sowie auch eine Verminderung bestehender und zukünftiger Anklagen gewährt wird.«
    Er faltete das Papier und schaute Bleichert an, doch der wandte sich direkt an MacHenny. »Schön, wir nehmen das zur Kenntnis, und jetzt reden wir bitte über die Fakten.«
    »Sicher.« MacHennys Stimme klang wie das Quaken eines Frosches. »Mein Klient wird eine vorbereitete Aussage verlesen.«
    »Heißt das, Fragen sind nicht erlaubt?«
    »Nicht zu diesem Zeitpunkt.«
    Bleichert schaute Leah an. Er verzog keine Miene. »Dann lesen Sie mal, auf eigene Gefahr.«
    »Wie sieht es mit der Haftentlassung aus?«
    »Wir können offenen Vollzug in Lompoc anbieten.«
    »Das ist immer noch ein Gefängnis.«
    »Bei den Beschuldigungen, die auf Ihrem Klienten lasten, können Sie froh sein, daß er frische Luft atmet«, erwiderte Leah. »Und warum sollten wir überhaupt auf einen Handel eingehen? Er hat uns schon einmal belogen, als er Karen Bests Tod auf Trafficant abzuwälzen versuchte. Wir wissen jetzt, daß Trafficant nichts damit zu tun hatte.«
    Ape saß da und wirkte zutiefst gelangweilt. Ich kannte dieses Verhalten: die Selbstzufriedenheit des wirklichen Psychopathen.
    »Die Überführung nach Lompoc ist alles, was wir anbieten können«,

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