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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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sich ab. Als er wieder hinschaute, war die Leiche ausgeweidet. Harold war mit den Organen auf dem Weg zum Spülstein. Seibert stocherte wie beiläufig im Innern der Bauchhöhle herum. »Man muß immer nach dem Unerwarteten Ausschau halten. Man weiß nie im voraus, was man hier drin so alles findet.«
    »Was würden Sie machen, wenn ich Ihnen gegenüber die Vermutung äußern würde, daß diese Frauen beide vergiftet worden sind?« fragte Jeffrey unvermittelt. »Würden Sie dann irgend etwas anders machen? Würden Sie irgendwelche zusätzlichen Tests vornehmen?«
    Seibert hielt abrupt inne. Er war gerade dabei, das Abdomen von Gail Shaffer abzutasten. Er hob langsam den Kopf und maß Jeffrey mit einem halb erstaunten, halb argwöhnischen Blick. »Wissen Sie irgend etwas, das ich wissen sollte?« fragte er, und seine Stimme klang weit ernster als zuvor.
    »Sagen wir, ich stelle es als eine rein hypothetische Frage«, antwortete Jeffrey ausweichend. »Beide Frauen hatten einen epileptischen Anfall und Herzprobleme, und beide Male ohne einschlägige Vorgeschichte - jedenfalls soviel ich weiß.«
    Seibert zog seine Hand heraus, richtete sich auf und musterte Jeffrey über die ausgeweidete Hülle von Gail Shaffers Leiche. Er überlegte einen Moment, dann blickte er hinunter auf die tote Frau.
    »Nein, ich würde nichts anders machen«, sagte er. »Es gibt so gesehen keinen Unterschied zwischen einer Selbstvergiftung, euphemistisch gern auch als Entspannungsdrogengenuß bezeichnet, und Vergiftet-Werden - zumindest nicht aus pathologischer Sicht. Entweder findet sich Gift im Körper des Verstorbenen, oder es findet sich keins. Freilich, wenn mir nun jemand sagen würde, daß es Verdachtsmomente für ein bestimmtes Gift gibt, würde das schon einen gewissen Einfluß darauf haben, wie ich bestimmte Gewebesegmente behandeln würde. Es gibt spezifische Farbstoffe für ganz bestimmte Gifte.«
    »Und wie ist das bei Toxinen?« fragte Jeffrey.
    Seibert pfiff durch die Zähne. »Jetzt wird die Sache interessant. Sie meinen, so was wie Phytotoxine oder Tetrodotoxin. Sie haben doch schon mal was vom Tetrodotoxin gehört, oder? Es stammt vom Kugelfisch. Können Sie sich vorstellen, daß man in Sushi-Bars den Gästen diese Viecher ganz legal auftischen darf? Ich würde dieses Zeug nicht anrühren, nicht ums Verrecken.«
    Jeffrey spürte, daß er eines von Seiberts Lieblingsthemen berührt hatte. Seiberts Begeisterung für Toxine war nicht zu übersehen.
    »Toxine sind ein echtes Phänomen«, fuhr Seibert fort. »Wenn ich jemanden umbringen wollte, würde ich das mit einem Toxin machen, da gäb’s gar keine Frage. In den meisten Fällen kommt erst gar keiner auf die Idee, nach Spuren von Toxinen zu suchen. Es sieht aus wie eine natürliche Todesursache. Können Sie sich noch an diesen türkischen Diplomaten erinnern, der damals in Paris umgebracht wurde? Das muß auch ein Toxin gewesen sein. Es war in der Spitze eines Regenschirms versteckt, und der Täter hat ihm einfach so im Vorbeigehen mal kurz in den Hintern gepiekst. Der Bursche brach sofort zusammen, wand sich noch einen Moment auf dem Boden, und binnen einer Minute war er tot. Und sind sie draufgekommen? Natürlich nicht. Toxine sind unheimlich schwer nachzuweisen.«
    »Aber unmöglich ist es doch nicht?« fragte Jeffrey.
    Seibert schüttelte unbestimmt den Kopf. »Deshalb würde ich sie ja benutzen, wenn ich jemanden aus dem Weg räumen wollte. Sie sind ganz, ganz schwer nachzuweisen. Aber um auf Ihre Frage zu antworten - unmöglich ist es nicht, aber so gut wie. Das größte Problem bei Toxinen ist, daß schon die winzigste Menge ausreicht, um jemanden um die Ecke zu bringen. Es bedarf dafür nur einiger weniger Moleküle von dem Zeug. Das bedeutet, daß unser üblicher altbewährter Helfer, der Gaschromatograph, in Kombination mit dem Massenspektrograph, es oft nicht schafft, das Toxin aus all den anderen organischen Bestandteilen herauszupicken, die in der Testsuppe herumschwimmen. Wenn man aber weiß, wonach man sucht, beispielsweise nach einem Tetrodotoxin, weil, sagen wir mal, der Verstorbene bei einer Sushi-Party vom Hocker gekippt ist, dann kann man ein paar monoklonale Antikörper entweder mit einem radioaktiven Marker oder mit Fluorescein markieren, und die können das Zeug dann rauspicken. Aber ich sag’ Ihnen, das ist nicht leicht.«
    »Das heißt also, daß Sie manchmal das Toxin erst dann aufspüren können, wenn Sie genau wissen, was für eins es ist«,

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