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Narkosemord

Titel: Narkosemord Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Robin Cook
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für Ein- und Ausgänge, ein Füller- und ein Kugelschreiber-Set und ein gerahmtes Bild. Das Foto zeigte Seibert mit einer attraktiven Frau mit einer neckischen Ponyfrisur und zwei lächelnden Kindern. Die Familie posierte in Skikleidung vor einer winterlichen Gebirgslandschaft.
    In der Mitte des Schreibtisches lagen die beiden Krankenakten. Die obere war die von Gail Shaffer. Jeffrey nahm die darunterliegende von Karen Hodges und setzte sich auf einen vinylbezogenen Stuhl. Am meisten interessierte ihn das Anästhesieprotokoll.
    Der Name des Anästhesisten war William Doherty. Jeffrey kannte ihn flüchtig von ein paar Medizinerkongressen. Als er die Seite überflog, sah Jeffrey, daß das Anästhetikum in der Tat 0,5prozentiges Marcain gewesen war. Anhand der Dosis schloß Jeffrey, daß Doherty eine 30-ml-Ampulle benutzt hatte. Als nächstes las sich Jeffrey eine kurze Zusammenfassung der Ereignisse durch. Die Lektüre rief sofort wieder die Erinnerung an das Unglück mit Patty Owen in ihm wach. Jeffrey schauderte, als er den Verlauf der Ereignisse las. Karen Hodges hatte anfänglich an genau den gleichen unerklärlichen parasympathischen Symptomen gelitten, bevor sie den epileptischen Anfall bekommen hatte.
    Jeffrey wurde regelrecht überwältigt von Mitgefühl für Doherty. Er konnte nur allzugut nachempfinden, was der Mann jetzt durchmachte. Aus einem plötzlichen Impuls heraus zog er Seiberts Telefon zu sich herüber und wählte die Nummer des St. Joseph’s Hospitals. Er ließ sich mit der Anästhesie verbinden und verlangte Dr. Doherty.
    Als Doherty den Hörer abnahm, sagte Jeffrey ihm, wie leid ihm die Geschichte mit Karen Hodges täte und wie sehr er ihm seine Verzweiflung nachfühlen könne; er hätte selbst etwas Ähnliches durchgemacht.
    »Wer spricht denn da, bitte?« fragte Dr. Doherty, bevor Jeffrey weiterreden konnte.
    »Jeffrey Rhodes«, sagte Jeffrey, zum erstenmal seit Tagen seinen richtigen Namen benutzend.
    »Dr. Jeffrey Rhodes vom Memorial?«
    »Ja. Ich würde Ihnen gern eine Frage bezüglich des gestrigen Vorfalls stellen. Als Sie die Testdosis injizierten, haben Sie da…«
    »Tut mir leid«, unterbrach ihn Doherty, »aber ich habe ausdrückliche Anweisung von meinem Anwalt, mit niemandem über diesen Fall zu sprechen.«
    »Ich verstehe«, sagte Jeffrey. »Ist schon ein Kunstfehlerverfahren angestrengt worden?«
    »Nein, bis jetzt noch nicht«, antwortete Dr. Doherty. »Doch wir rechnen jeden Tag damit. Ich kann wirklich nicht weiter mit Ihnen über den Fall sprechen. Aber es freut mich, daß Sie angerufen haben. Vielen Dank.«
    Jeffrey legte den Hörer auf, enttäuscht, daß er aus Dohertys noch frischer Erfahrung keinerlei Nutzen zu ziehen vermochte. Aber er konnte verstehen, warum der Mann sich so bedeckt hielt. Jeffrey hatte damals von seinem Anwalt ebenfalls einen Maulkorb umgehängt bekommen.
    »Ich hab’ da schon so ein paar Ideen«, sagte Seibert, als er zur Tür hereinrauschte, bekleidet mit einem frischen OP-Anzug. Ohne den Kittel, den Mundschutz und die Haube konnte Jeffrey ihn sich zum erstenmal richtig ansehen. Seibert hatte eine athletische Figur. Sein sandfarbenes Haar vertrug sich angenehm mit seinen blauen Augen. Er hatte ein kantiges, hübsches Gesicht. Jeffrey schätzte ihn auf Anfang Dreißig.
    Seibert ging hinter seinen Schreibtisch und setzte sich. Er lehnte sich zurück und legte die Füße auf die Tischkante. »Es müßte sich bei dem Zeug um eine Art toxischen Blocker handeln, mit depolarisierender Wirkung an der Zellmembran. Der hätte etwa die gleiche Wirkung, als würden Sie eine Volldröhnung Azetylcholin in alle Ganglienzellen und motorischen Endplatten injizieren. Also: zuerst einmal vorübergehende parasympathische Symptome, bevor dann infolge der Nerven- und Muskelzellzerstörung die Hölle so richtig losbricht. Der einzige Haken ist, das Zeug würde auch Muskelzuckungen verursachen.«
    »Aber da waren Muskelzuckungen!« sagte Jeffrey mit wachsendem Interesse. Es hörte sich ganz so an, als ob Seibert auf der richtigen Fährte war.
    »Das überrascht mich nicht«, erwiderte Seibert. Er nahm die Beine vom Tisch und beugte sich vor. »Was war mit dieser letzten Patientin? Hatte Karen Hodges auch diese Symptome?«
    »Exakt die gleichen«, antwortete Jeffrey.
    »Und Sie sind sicher, daß die nicht von der Lokalanästhesie gekommen sein können?«
    Jeffrey nickte.
    »Dann bin ich gespannt darauf, was die toxikologische Analyse ergeben wird.«
    »Ich habe mir die

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