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Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz

Titel: Narrentanz - Bürkl, A: Narrentanz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Anni Bürkl
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nie wieder, verstanden!«, schimpfte Ariane schrill.
    Saller riss den Arm abrupt hoch und schaffte es, Ariane so abzuschütteln, dass diese in den Schnee plumpste. Er rannte mit schlangenhaften Bewegungen weg. Die Sekunden des Schocks dauerten genau das Stück zu lange, das der Therapeut zur Flucht brauchte.
    »Bleiben Sie stehen, Saller!«, brüllte Ariane. Sie hetzten ihm nach, beide keuchten. Ariane war dem Therapeuten wieder dicht auf den Fersen. »Meine Lampe!«, rief sie Berenike zu. »Im Handschuhfach!« Berenike tastete sich an den Wagen der Journalistin heran, der noch weiter weg vom Eingang stand, und öffnete die Tür. Im selben Moment kam Ariane ins Rutschen, kreischte auf, ruderte mit den Armen, und fiel in das kalte Weiß.
    »Weh getan?« Berenike kramte in Arianes Auto, endlich fand sie die Taschenlampe.
    »Wo ist der Arsch?«, schrie Ariane und rappelte sich auf. »Mach Licht, schnell!« Die Funzel erhellte die Nacht kaum. Auch die Blaulichter waren weit weg. Von Saller war nichts mehr zu erkennen. Nur die Spuren im Schnee, die zur Straße führten. Der Weg musste erst vor kurzem geräumt worden sein.

36.
     
    Es gibt Augenblicke im Leben, abscheuliche Augenblicke, wenn man aus einem Unterschlupf hervortritt und um sich blickt, und alles ist schrecklich. Dann sollte man nicht nachgeben! Man sollte nach Hause gehen und sich einen besonders guten Tee leisten.
    (Katherine Mansfield: Sämtliche Erzählungen in zwei Bänden, Band 2: Die Blume Sicherheit)
     
    »Ihm nach, Berenike, schnell!«, rief Ariane und keuchte.
    »Du hast dir doch wehgetan!«
    »Lauf, Berenike!«
    Berenike rannte los, hörte ein Geräusch hinter sich, verharrte, konnte es nicht zuordnen. Vielleicht knackste die Eisdecke auf dem See, der in der Dunkelheit nur als heller Fleck zu erkennen war. Sie lauschte nach allen Seiten – Stille, Grabesstille.
    »Pass auf! Der Stettin! Hinter dir!« brüllte Ariane.
    Berenike fuhr herum. Der Schatten eines Mannes war im Gegenlicht der offenen Hintertür des Lokals auszumachen. Das war ja ein Kommen und Gehen am Lieferanteneingang!
    »Er will weglaufen!« Ariane machte ein paar Schritte, knickte mit einem Fuß ein, fluchte, warf sich auf die flüchtende schwarze Gestalt, erwischte das Jackett, Stoff riss. Der Mann stolperte, fiel tonlos und rührte sich nicht mehr. Berenike richtete die Lampe auf ihn.
    »Hallo, Herr Pfarrer!« Ariane beugte sich über den Daliegenden, hoch aufragend, ein Racheengel war nichts dagegen. Ob er tot ist?, ging es Berenike durch den Kopf. Aber nein, eine zitternde Hand fuhr quälend langsam Richtung Gesicht, als er sich aufsetzen wollte. Ein Aufstöhnen.
    »Ariane Meixner.« Stettins Tonfall war herablassend. »Sie haben mich angegriffen! Das werden Sie bereuen! Eine wie Sie – pah.«
    Der Pfarrer wirkte jetzt viel älter als im Fernsehen. Seine Wangen waren eingefallen. Doch selbst in dieser Position strahlte er etwas höchst Autoritäres aus.
    »Von den Meixners ist noch nie etwas Gutes gekommen«, fuhr der alte Mann fort. Ein verächtliches Grinsen stahl sich in sein Gesicht, während er an Ariane vorbei Richtung Straße starrte. Berenike spürte den Schatten hinter sich mehr, als sie ihn sehen konnte. Sie wich zurück. Etwas traf ihren Kopf. Sie taumelte, wollte sich umdrehen. Die Lampe fiel in den Schnee, flackerte kurz und ging aus. Frostklirrende Dunkelheit umfing sie.
    »Berenike!«, gellte Arianes Stimme durch das Dunkel. Klatschende Geräusche, Finger, die Berenike berührten. »Ariane!«, rief sie immer wieder, »Ariane! Jonas?« Niemand antwortete. Jemand keuchte. War sie das selbst? Kälte drang an ihre Haut. War sie etwa nackt? Oder waren Schnee und Nässe durch den dünnen Stoff ihres Bauchtanzkostüms gedrungen? Wieviel Zeit war vergangen? Und wo war sie überhaupt? Hatte man sie von ihrem Lokal fortgeschafft? Sie zwang sich, die Augen zu öffnen. Schmerzhaft blendete sie der Mond nach all dem gnädigen Dunkel. Davor schob sich ein rundes Gesicht, Vollmondgesicht, aber dunkler. Ein Grinsen darin, während sich starke Finger um ihre Kehle schlossen, sie zudrückten, immer stärker, immer fester. Sie wollte ihre Nägel in dieses Gesicht krallen, doch es war unmöglich, ihre Arme zu bewegen. Ein weiterer Schatten tauchte auf, dann wurde es schwarz um Berenike.
     
    *
     
    Übelkeit, Kälte. Wo war sie? Sie bewegte den Kopf. Unterdrückte Schreie von irgendwo rechts neben ihr, ein Knirschen wie von brechenden Knochen. Ein Kampf! Und Blaulicht – also

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